Kirchenpräsident: "Tanzverbot" nur am Karfreitag zwingend
Heftige Debatten gab es in diesem Jahr um das Karfreitags-Tanzverbot laut Gesetz von 1952. Ist dieser "Feiertagsschutz" noch zeitgemäß? Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sagt klar ja – findet die Beschränkung zum christlichen Freudenfest Ostern hingegen unnötig. Wir dokumentieren den entsprechenden Abschnitt seiner Rede vor der Synode der EKHN, die an diesem Samstag zu Ende geht.
13.05.2011
Von Dr. Volker Jung

Dass die Frage um die Bedeutung des Karfreitages so hohe Wellen schlägt und eine breite Diskussion entfacht hat, zeigt mir: Es handelt sich nicht um ein religiöses Spezialproblem. Es ist ein Thema, das mitten hinein in die grundsätzliche Frage nach der Feiertagskultur unserer Gesellschaft führt und damit mitten hinein in die Frage, was unsere Gesellschaft verbindet. Wir haben hier als Kirche viel zu bieten.

Es ist deshalb wichtig, dass wir unsere Feiertage selbstbewusst feiern und gestalten, damit sie in ihrer Bedeutung auch im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert bleiben. Wir prüfen zurzeit, wie dies im nächsten Jahr für den Karfreitag aussehen kann. Die Diskussionen um den Karfreitag gehen zurzeit weiter. Sie sind eine gute Gelegenheit darzustellen, was dieser und andere Feiertage für uns bedeuten.

Der Karfreitag ist ein besonderer Tag

Ich vertrete mit Blick auf den Karfreitag folgende Position: Der Karfreitag wird für Christinnen und Christen immer ein besonderer, ein stiller Tag sein. Offen ist aller- dings, ob es auch in Zukunft ein allgemeiner, gesetzlich geschützter und arbeitsfreier Tag sein wird. Die Frage, ob das Tanzverbot am Karfreitag sinnvoll ist, rührt meines Erachtens an die weitergehende Frage, ob der Karfreitag überhaupt als gesetzlich geschützter Feiertag in unserer Gesellschaft konsensfähig ist.

Wenn der Karfreitag als Feiertag gewollt ist, dann ist zu fragen, ob er in bestimmter Weise, nämlich dem Charakter des Tages angemessen, gestaltet werden kann. Der Karfreitag als Tag der Erinnerung an das Sterben und den Tod Jesu ist ein Tag der Auseinandersetzung mit Grundfragen menschlichen Lebens – mit den Fragen von Unrecht, Gewalt und Schuld und den Fragen der Endlichkeit menschlichen Lebens. Wenn eine Gesell- schaft sich darauf verständigt, dass dieser Tag allgemeiner Feiertag ist, sollte auch eine Verständigung darüber möglich sein, wie der Tag gestaltet wird.

Was heißt Freiheit?

Als Kirche können wir meines Erachtens mit guten Gründen unserer Gesellschaft empfehlen, diesen Tag als gesetzlich geschützten Feiertag zu erhalten und ihn mit dem Tanz- verbot als besonderen Tag zu kennzeichnen. Zu prüfen ist in der Tat, was dies für andere Programmangebote dieses Tages bedeutet, also ob nicht sogar weiter- gehende Regelungen gut wären. Ein Tanzverbot ist dem Charakter des Karfreitages angemessen. Aus dem Charakter der Tage nicht zu begründen ist übrigens das Tanzverbot an Ostern. Ich halte es nicht für nötig.

Die Leitfrage unter dem Aspekt der Freiheit ist für mich nicht, ob individuelle Freiheit eingeschränkt wird. Die Leitfrage ist für mich: Hat eine Gesellschaft die Freiheit, sich einen solchen Tag wie den Karfreitag zu gönnen? Gibt es damit eine innere gesellschaftliche Freiheit, diesen Tag in besonderer Weise zu gestalten?

Das ist für mich auch die entscheidende Freiheitsfrage zum Sonntagsschutz: Ist unsere Gesellschaft wirklich frei, den Sonntag als arbeitsfreien Tag zu erhalten? Und sind nicht alle Argumente für die Liberalisierung des Sonntages Zeichen für eine ökonomische Fremdbestimmung und damit von Knechtschaft und nicht von Freiheit?


Dr. Volker Jung, Jahrgang 1960, ist seit 2009 Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) mit Sitz in Darmstadt. Der vollständige Text seiner Rede vor der EKHN-Synode findet sich hier (PDF-Dokument).