"Tatort: Der illegale Tod", 15.5., 20.15 Uhr, ARD
Die Methode ist beliebt, das Resultat mal mehr, mal weniger geglückt: Immer wieder nutzen Redaktionen und Autoren die Popularität der Reihe "Tatort", um auf drängende gesellschaftliche Fragen hinzuweisen. Radio Bremen macht das besonders gern und meist mit Erfolg: Die Verpackung ist in der Regel spannend genug, so dass letztlich doch der Krimi im Vordergrund steht. Dass die Kombination bei dem Film "Der illegale Tod" überdurchschnittlich gut gelingt, liegt am Drehbuch von Christian Jeltsch. Geschickt verpackt der für Stoffe dieser Art schon mehrfach ausgezeichnete Autor ein hochaktuelles brisantes Thema in eine fesselnde Krimigeschichte.
Im Mittelpunkt seiner Geschichte steht eine Frau (Florence Kasumba) aus Afrika, die beim Fluchtversuch ihre Tochter verloren hat. Erst nach und nach setzen sich dank eines Amateurfilms die Bruchstücke der Tragödie zusammen: Im Auftrag der (real existierenden) Europäischen Agentur für die Zusammenarbeit an den Außengrenzen, kurz Frontex, ist ein Schiff der Bremer Wasserschutzpolizei im Mittelmeer Patrouille gefahren. Als die Flüchtlinge an Bord wollten, geriet einer der Beamten in Panik, ein Schuss fiel, das Flüchtlingsboot sank. Am nächsten Tag wurde gut ein Dutzend der Afrikaner wie Treibholz tot an die tunesische Küste gespült, über fünfzig weitere Menschen blieben verschwunden. Nur Amali Agbedra hat überlebt, und nun ist sie in Deutschland; offenbar, um Rache zu nehmen. Erstes Opfer ist Peer (Michael Pink), ein alter "Blutsbruder" von Stedefreund (Oliver Mommsen): Nach gemeinsam durchzechter Nacht ist Peer spurlos verschwunden.
Selbstgerechte, altlinke Kommissarin
Wenn es die Ermittler in Filmen dieser Art gleich mit mehreren Gegenspielern zu tun haben, ist die Gruppe fast zwangsläufig von heterogener Klischeehaftigkeit. Die Darsteller (unter anderem Ulrike C. Tscharre und Arnd Klawitter) der extremen Charaktere wandeln zudem auf schmalem Grat: Die Gefahr ist groß, dass die Schauspieler in den wenigen Szenen, die sie haben, um eine Figur in den Köpfen der Zuschauer zu verankern, allzu dick auftragen. Hier ist es Daniel Lommatzsch, der in die Falle tappt und die Fragilität des von ihm verkörperten Polizisten unnötig überzeichnet (Regie: Florian Baxmeyer). Noch nerviger ist allerdings Kommissarin Lürsen (Sabine Postel) mit ihrer selbstgerechten und fast schon antiquiert anmutenden altlinken Haltung, was natürlich gleichfalls Methode hat: Ihre weltfremd wirkende Liberalität, die ganz Afrika willkommen heißen würde, steht in heftigem Kontrast zum Frontex-Auftrag, zumal der aalglatte Manager (James Faulkner) der Agentur nicht nur im Mittelmeer über Leichen geht. Auf diese Weise wird der Krimi schließlich sogar zum Polit-Thriller.
Reizvoll sind auch die Auseinandersetzungen zwischen den Generationen. Bislang trugen sie sich vorwiegend innerhalb des Ermittler-Duos zu, was dank des Altersunterschieds zwischen den beiden Hauptdarstellern (Postel ist 56, Mommsen 42) auch durchaus überzeugend war. In Jeltschs Geschichte vertreten Lürsen und Stedefreund völlig unterschiedliche Haltungen zur Flüchtlingsfrage. Immer wieder gab es aber auch einen Nebenschauplatz, auf dem sich die Kommissarin mit ihrer Tochter Helen (Camilla Renschke) auseinandersetzen musste. Die ist nun in eine Position befördert worden, die für viel Zündstoff sorgt: Sie wird zur Vorgesetzten ihrer Mutter. Die Konflikte sind programmiert, weil beide völlig unterschiedliche Arbeitsauffassungen haben. Diesmal muss Helen am Schluss Einsicht und Größe zeigen. Am vielversprechenden Reibungspotenzial dieser Konstellation ändert das gar nichts.
Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).