Der Erfolg des Aufbruchs in den arabischen Ländern stehe "auf Messers Schneide", sagte der stellvertretende Generalsekretär vom Amnesty Deutschland, Wolfgang Grenz, am Donnerstag bei der Vorstellung des Amnesty-Reports 2011 in Berlin. Dem brutalen Vorgehen der Regierungen von Syrien oder Bahrain dürfe die internationale Staatengemeinschaft nicht tatenlos zusehen.
Besonders gegenüber Bahrain warnte Grenz vor "doppelten Standards" in der Außenpolitik von EU und USA. Die Unterdrückung der schiitischen Minderheit in dem Inselstaat im Persischen Golf erfordere ein "entschiedeneres Auftreten" des Westens gegenüber der bahrainischen Regierung.
Stabilität darf nicht auf Kosten der Menschenrechte gehen
Auch in Ägypten sieht Amnesty trotz einiger Fortschritte in Menschenrechtsfragen noch große Defizite. So habe sich beim Streikrecht auch nach dem Sturz Hosni Mubaraks nicht viel geändert. Seit Mitte April gebe es ein Gesetz, das friedliche Proteste und Streiks kriminalisiert. Auch würden Frauen bei der Neugestaltung der Zukunft ausgegrenzt und wieder Fälle von Folter registriert. Hier müssten EU und USA intervenieren, sagte Grenz. Systematische Menschenrechtsverletzungen um den Preis der Stabilität hinzunehmen, dürfe sich nicht wiederholen.
Heftig kritisiert die Menschenrechtsorganisation die europäische Flüchtlingspolitik. Flüchtlinge aus Nordafrika in Europa aufzunehmen, sei derzeit die Frage eines "solidarischen Aktes", sagte Grenz. Der Bundesregierung warf er "Doppelzüngigkeit" im Umgang mit Syrien vor. Trotz der dortigen verschärften politischen- und Menschenrechtslage würden nach wie vor abgelehnte syrische Asylbewerber auf Grundlage eines bilateralen Abkommens von 2009 von Deutschland in das Land abgeschoben.
Südosteuropa hat bei der Diskriminierung noch einiges aufzuholen
EU-Sorgenkinder sind die südosteuropäischen Staaten wie Ungarn, Rumänien, Bulgarien oder die Slowakei. Hauptkritikpunkt von Amnesty ist der diskriminierende Umgang mit den Roma und anderen Minderheiten wie Lesben und Schwulen. Gegenüber der rumänischen Polizei erhoben Nichtregierungsorganisationen Foltervorwürfe und berichteten von Misshandlungen von Roma durch die Sicherheitskräfte.
In Ungarn führen nach Ansicht vom Amnesty die von der rechten Regierungskoalition verabschiedeten Mediengesetze zur Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit. Strukturelle Defizite gebe es bei der ungarischen Justiz beim Vorgehen gegen Hassverbrechen gegenüber Minderheiten.
In Deutschland bewertet Amnesty seine 2010 gestartete Kampagne zu mehr Transparenz bei der Polizei als Erfolg. In Berlin sei die individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte eingeführt worden, in Brandenburg, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gebe es entsprechende Absichtserklärungen.