Mit Teddyengel am Rückspiegel sicher durch den Verkehr
An jedem zehnten Auto in Deutschland finden sich religiöse Symbole - als Aufkleber am Heck, als Anhänger am Rückspiegel oder auf dem Armaturenbrett. Das ist das Ergebnis der Studie "Religion im Auto", die von der Akademie Bruderhilfe-Pax-Familienfürsorge in Auftrag gegeben wurde. Was sagt uns das?
12.05.2011
Von Ursula Ott

Wenn ich als Kind auf dem Rücksitz des alten Renault 4 saß, den meine Mutter steuerte, guckte ich immer auf den kleinen silbernen Christophorus, der an ihrem Zündschlüssel baumelte. Weil ich hoffte, dass der auf uns aufpasst – es waren die 60er Jahre, ohne Römer-Kindersitz, ohne Sitzgurte und ohne Tempolimit. Aber auch weil ich wusste, dass meine Mama diesen kleinen Schutzheiligen von ihrer Mama geschenkt bekommen hatte. Nach der bestandenen Führerscheinprüfung, die sie heimlich abgelegt hatte. Aus Angst durchzufallen und sich zu blamieren vor meinem autobegeisterten Vater. Wenn sie mir später ihr Auto lieh und mir den Christophorus-Schlüssel in die Hand drückte – auch das oft hinter dem Rücken meines Vaters – dann war er wie ein kleines Geheimsymbol, dieser Anhänger. Ich vertrau dir mein Auto an, pass drauf auf – mit Umsicht, angezogener Bremse und höherem Beistand.

Genau so geht es den meisten Autofahrern bis heute, wenn sie ein religiöses Symbol im Auto hängen haben: Viele haben es geschenkt bekommen und hängen es als Erinnerung an einen geliebten Menschen auf. Es soll schützen vor Unfällen – und die "Affekte kontrollieren". Uns also dazu anhalten, den Fuß vom Gas zu nehmen, wenn wir ihn ansehen, den Engel, den Rosenkranz oder den Schutzheiligen.

Das alles hat der Freiburger Religionssoziologe Michael Ebertz erforscht, im Auftrag der Pax Bruderhilfe. Diese Versicherung im Raum der Kirchen hat naturgemäß ein Interesse an der religiösen Dimension des Autos. Und, wie der Soziologe findet, da sei sie auf einer guten Spur. "Kirche sollte das Auto als Ort der religiösen Kommunikation wieder entdecken."

Auf Platz eins liegen die Engel

Dass ein Auto mehr ist als ein schnödes Fortbewegungsmittel, liegt auf der Hand. Es wird als mobiles Wohnzimmer benutzt – und bisweilen genauso dekoriert, so Ebertz. Der ließ seine Studierenden über 1500 Autos in Freiburg fotografieren, unter Missbilligung von Passanten und Polizei. Aber mit beeindruckendem Ergebnis: Jeder zweite Autofahrer hat am oder im Auto ein Symbol hängen. Am häufigsten Diddl-Mäuse und andere Kuscheltiere. Aber immerhin jedes zehnte Auto trug auch ein religiöses Symbol. Auf Platz eins: Engel, bizarrerweise oft gekreuzt mit Tieren (Teddy-Engel, Badeeenten-Engel) oder als "Holzwackelengel". Es folgen Rosenkranz und Kreuz. Auf Platz 8 der "Ichthys", das Fisch-Symbol, das schon von den frühen Christen als Symbol für Jesus Christus verwendet wurde.

Der Ichthys-Aufkleber wurde ursprünglich nur von Freikirchen vertrieben – "fast wie ein Geheimzeichen, an dem sich die Mitglieder gegenseitig erkannten." Inzwischen werde er aber auch von vielen Katholiken genutzt, als Bekenntnis. "Da ist noch Potential", glaubt Ebertz, "die Autobox wird künftig noch mehr als Ort des religiösen Bekenntnisses genutzt werden."

Warum? Weil Religion sich dort ansiedelt, wo "Kontingenzerfahrung" gemacht wird. Zu deutsch: Wo der Mensch sich verletzlich fühlt, gefährdet, wo "das Unverfügbare ins Leben eingreift".

Die meisten Symbole hängen in VWs

Demnächst also massenhaft Wackelengel auf der Mittelkonsole des SLK Cabrio? Wohl kaum. Wer genauer wissen will, wer sich welche Symbole ans Auto klebt, muss sich mit den Milieustudien von Sinus beschäftigen. Da ist der ältere wohlhabende Mercedesfahrer, der sich nie, wirklich gar nie einen Engel oder ein Fatima-Auge ins Auto hängen würde. Aber sehr wohl – da er aus einem kirchlich hoch-verbundenen Milieu kommt – ein Kreuz. Und da sind auf der anderen Seite die BMW-Fahrer, bei denen die Freiburger Jungforscher nur Engel und Fatima-Augen gefunden haben.

Den allermeisten religiösen Klabauter - von Christophorus bis Fatima quer durch den Supermarkt der Religionen - hängen sich übrigens die VW-Fahrer an den Rückspiegel. Warum, das müsste eine Folgestudie ergeben. Immerhin: die Werbung von VW hat das spirituelle Potential ihrer Autos bereits erkannt. Im aktuellen Werbespot öffnet ein kleiner Darth Vader aus Star Wars den Kofferraum und knipst das Licht an. Möge die Macht mit euch sein!


Ursula Ott ist stellvertretende Chefredakteurin des evangelischen Magazins chrismon und Chefredakteurin von evangelisch.de.