Koch-Mehrin zurückgetreten - Guttenberg rechtfertigt sich
Sie war das Gesicht der FDP in Europa - nun ist Silvana Koch-Mehrin wegen der Plagiatsvorwürfe gegen ihre Doktorarbeit zurückgetreten. So wie vor zwei Monaten Karl-Theodor zu Guttenberg. Der rechtfertigt seine Fehler mit Dauerstress und Druck.

Gut zwei Monate nach Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist auch die FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin wegen einer Plagiatsaffäre zurückgetreten. "Mit sofortiger Wirkung" legte die 40-Jährige am Mittwochabend ihre Posten als Vorsitzende der FDP im Europaparlament und Vizepräsidentin des Europaparlaments nieder, wie sie in einer schriftlichen Erklärung verbreiten ließ.

Der frühere Verteidigungminister zu Guttenberg begründete die Plagiatsstellen in seiner Doktorarbeit mit massiver Überlastung und der Angst vor dem Versagen, wie am Mittwoch bei der Vorstellung des Abschlussberichts der Universität Bayreuth zu seinem Fall deutlich wurde. Doch für die Autoren von der Uni-Kommission "Selbstkontrolle in der Wissenschaft" steht fest: Der CSU-Politiker hat vorsätzlich getäuscht.

Koch-Mehrins Rücktritt vorausgegangen war ein Bericht des Berliner "Tagesspiegels", dem zufolge ihre Universität Heidelberg, die die Vorwürfe prüft, den Doktortitel aberkennen will. Grund seien mehrere festgestellte Plagiate. Die FDP-Politikerin hatte 1999 eine wirtschaftshistorische Dissertation an der Universität Heidelberg eingereicht und 2001 veröffentlicht. In ihrer Arbeit "Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik" ging es um die lateinische Münzunion.

Einer Untersuchung der Internet-Plattform "VroniPlag Wiki" zufolge hat Koch-Mehrin gezielt abgeschrieben. "Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurden auf 56 von 201 Textseiten Plagiatstellen nachgewiesen. Dokumentiert sind Textübernahmen aus insgesamt 15 verschiedenen Quellen", heißt es in dem Bericht. Auf der Plattform arbeiten anonyme Aktivisten ähnlich wie zuvor im Fall Guttenberg zusammen, um Koch-Mehrins Arbeit - aber nicht nur diese - zu überprüfen.

Neuanfang für die Partei angestrebt

Die Vorzeigepolitikerin der Liberalen in Europa verliert mit dem Rücktritt auch ihren Sitz im FDP-Präsidium, in dem sie qua Amt vertreten war. Ihr Mandat im Europaparlament will sie nach Angaben ihres Sprechers behalten. FDP-Generalsekretär Christian Lindner erklärte knapp: "Wir nehmen die Entscheidungen Silvana Koch-Mehrins mit Respekt zur Kenntnis und danken ihr für ihren langjährigen Einsatz für die liberale Sache."

Mit ihrem Schritt schuf Koch-Mehrin rechtzeitig vor dem am Freitag beginnenden wichtigen FDP-Parteitag Klarheit. "Ich hoffe, dadurch meiner Partei den Neuanfang mit einem neuen Führungsteam zu erleichtern", erklärte die 40-Jährige, die bisher eisern zu den Vorwürfen geschwiegen hatte, in ihrer Rücktrittserklärung. "Ich möchte mit diesem Schritt auch verhindern, dass meine gesamte Familie durch die öffentliche Diskussion weiter belastet wird."

Aus Koch-Mehrins Umfeld hieß es am späten Mittwochabend, sie sei verärgert, dass Details aus der noch laufenden Prüfung der Universität an die Öffentlichkeit geraten sind. Am FDP-Parteitag werde sie wohl nicht teilnehmen.

"Fahrlässigkeit und Schlamperei"

Guttenberg versuchte in seiner Stellungnahme für den Bericht seiner Universität den Eindruck zu erwecken, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben. Er sprach von Fahrlässigkeit und Schlamperei in Folge von Dauerstress. Angesichts seiner beruflichen und politischen Arbeitsbelastung sei ihm die Arbeit "teilweise über den Kopf gewachsen". Er habe weder die Erwartungshaltung seiner Familie noch seinen Doktorvater enttäuschen wollen. "Ich wollte mir eine Schwäche nicht eingestehen", wird er zitiert.

Die Kommission kam aber zu dem Schluss, dass Guttenberg die Standards guter wissenschaftlicher Praxis grob verletzt und die Prüfungskommission vorsätzlich getäuscht hat. Fremde Texte seien in einem kaum vorstellbaren Ausmaß in allen Einzelheiten ohne Kennzeichnung der Autorenschaft übernommen worden. Dies deute auf ein bewusstes Vorgehen hin. Die Fälschungen durchzögen die Arbeit "als werkprägendes Arbeitsmuster".

Die Hochschule hatte Guttenberg bereits am 23. Februar den Doktortitel aberkannt. Am 1. März legte er sein Ministeramt nieder. Die Staatsanwaltschaft in Hof ermittelt gegen ihn wegen Verstößen gegen das Urheberrecht. Dort liegen mehr als 100 Anzeigen vor. Zum Stand des Verfahrens wollte sich Oberstaatsanwalt Reiner Laib am Mittwoch nicht äußern. Für Juni kündigte er eine Zwischenbericht an. Dann werde er auch Auskunft geben, ob Strafanträge von Betroffenen vorliegen.

Bisky: Rücktritt ein schwerer Schlag für FDP

Der Vorsitzende der Linken im Europaparlament, Lothar Bisky, hat den Rücktritt von Silvana Koch-Mehrin als schweren Schlag für die FDP bezeichnet. "Ich habe sie als kluge Europapolitikerin kennen und schätzen gelernt", sagte Bisky am Donnerstag der Nachrichtenagentur dpa. Ihr Rückzug sei in der gegenwärtigen Situation für die FDP außerordentlich schwer, weil die Partei auch mit anderem Spitzenpersonal erhebliche Probleme habe, so Bisky.

Koch-Mehrin war am Mittwoch wegen der Plagiatsaffäre um ihre Doktorarbeit von ihren politischen Ämtern zurückgetreten. Mit sofortiger Wirkung legte sie ihre Posten als Vorsitzende der FDP im Europaparlament und Vizepräsidentin des Europaparlaments nieder. Damit sitzt sie auch nicht mehr im FDP-Präsidium, in dem sie qua Amt vertreten war.

Bisky lobte die politischen Fähigkeiten von Koch-Mehrin. "Man konnte mir ihr relativ rasch über europapolitische Themen reden. Sie war für mich eine offene und intelligente Kollegin."

FDP-Politiker Lambsdorff will Koch-Mehrin nachfolgen

Der FDP-Europaabgeordnete Alexander Graf Lambsdorff hat seine Kandidatur für den Vorsitz der FDP-Delegation im Europaparlament erklärt. "Ich habe meine Kollegen darüber informiert, dass ich mich um die Nachfolge bewerben werde", sagte Lambsdorff am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. Die FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin hatte am Mittwoch wegen Plagiatsvorwürfen bei ihrer Doktorarbeit ihre Posten als Vorsitzende der FDP im Europaparlament und Vizepräsidentin des Europaparlaments niedergelegt.

dpa