TV-Tipp des Tages: "Unter Verdacht: Rückkehr" (Arte)
Als besonderes Geschenk zum 70. Geburtstag von Senta Berger ein packender Krimi aus einer durchweg starken Reihe - mit einem herausragenden Ulrich Tukur als Ex-Polizist.
11.05.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Unter Verdacht: Rückkehr", 13. Mai, 20.15 Uhr, Arte

Vielschichtig, spannend, treffend besetzt, großartig gespielt, packend inszeniert: Im Grunde ist praktisch jede Folge der ZDF-Krimireihe "Unter Verdacht" preiswürdig. Das gilt allen voran für Senta Berger, der Arte mit diesem jüngsten Film ein besonderes Geburtstagsgeschenk macht: Sie wird heute siebzig. Übermorgen widmet der ihr der Kulturkanal einen ganzen Themenabend.

Die Verbrechen, mit denen es die interne Ermittlerin Eva Maria Prohacek zu tun bekommt, sind stets größer, als sie auf den ersten Blick wirken. Und fast immer bilden die offenkundigen Taten bloß die Spitze des Eisbergs, weshalb die Geschichten, wenn die Fälle allem Anschein nach gelöst sind, oft noch mal von vorn losgehen; aber ein Level höher und unter entsprechend größerer Gefahr für Leib und Leben.

Das Drehbuch greift diesmal ein Thema auf, das schon in diversen Filmreihen ("Bloch", "Tatort") und Einzelfilmen ("Willkommen zuhause") behandelt worden ist: Angehörige der "Friedensmission" in Afghanistan hatten während des Einsatzes ein traumatisches Erlebnis und werden nach ihrer Rückkehr zu wandelnden Zeitbomben. Die Autoren Hartmut Block und Michael Gantenberg stellen dieses posttraumatische Belastungssyndrom allerdings in einen größeren Kontext: Ihre Geschichte beginnt mit Ermittlungen gegen den scheinbar über alle Verdächtigungen erhabenen Unternehmer Dernlinger. Inszenierung (Andreas Herzog) und Darstellung (Sigi Zimmerschied) machen zwar von Anfang an keinen Hehl daraus, dass dieser Exporteur ein ganz schlimmer Finger ist, der keine Skrupel hat, Waffen in Kriegsgebiete auszuführen; aber die ganze Dimension seines verbrecherischen Handelns wird erst viel später offenbar.

Ulrich Tukur im Zentrum

Ins Zentrum der Handlung rückt ohnehin mehr und mehr Eric Glasner (Ulrich Tukur), ein Ex-Polizist, der als Ausbilder in Afghanistan war und sich dort in eine Einheimische verliebt hat. Als die junge Frau bei einem Überfall erschossen wurde, hat er den Dienst quittiert; seither arbeitet er als Personenschützer für den Afghanen Sherzad (Mehdi Nebbou). Beide sind anlässlich einer deutsch-afghanischen Konferenz in München. Glasner war einst Prohaceks Schüler auf der Polizeiakademie, sie hält große Stücke auf ihn und hofft auf seine Hilfe, als sie den Mörder eines Kollegen aus dem Wirtschaftsdezernat suchen muss. Der hatte Hinweise darauf, dass Unternehmer Dernlinger seine schmutzigen Geschäfte auch mit Afghanistan macht. Beinahe zu spät erkennt Prohacek, dass es um viel mehr geht und das Leben der Konferenzteilnehmer auf dem Spiel steht.

Mit enormem Geschick gelingt es Buch und Regie, die Weltgeschichte zu individualisieren und den Krimi parallel dazu immer größer werden zu lassen, bis er zu einem Polit-Thriller mit ungewöhnlich fesselndem Finale wird, weil im Hintergrund dem Staatsschutz die Fäden zu entgleiten drohen. Trotzdem ist noch Raum genug für darstellerische Glanzleistungen des Reihen-Teams. Senta Berger ist ohnehin herausragend, aber auch Rudolf Krause als ihr diesmal zwischen Selbstmitleid und Trotz schwankender Mitarbeiter Langner ist großartig. Gleiches gilt für Gerd Anthoff, der Prohaceks Chef Claus Reiter erneut mit einer klebrigen Mischung aus Süffisanz und Jovialität verkörpert. Ulrich Tukur ist selbstredend ein würdiger Mit- und Gegenspieler dieses Ensembles.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und die "Frankfurter Rundschau" mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).