US-Präsident Barack Obama will endlich wissen, wer die Helfer von bin Laden in Pakistan waren. "Wir glauben, dass es ein Unterstützernetzwerk für Bin Laden in Pakistan gegeben hat", erklärte er am Sonntagabend (Ortszeit) in einem Fernsehinterview. Pakistans Premierminister Yousaf Raza Gilani räumte Fehler ein. Die Sicherheitsbehörden hätten es nicht vermocht, den Aufenthaltsort Bin Ladens in der Garnisonsstadt Abbottabad ausfindig zu machen, sagte Gilani am Montag. "Aber das ist nicht nur unser eigenes Versagen, sondern das Versagen aller Geheimdienste dieser Welt."
Das Haus in dem pakistanischen Ort Abbottabad sei nach bisherigen Kenntnissen eigens zu dem Zweck gebaut und abgesichert worden, um bin Laden dort zu verstecken. Unklar sei, ob bin Ladens Helfer aus dem Kreis der pakistanischen Regierung stammten, hieß es in dem Interview des Senders CBS. "Das ist etwas, was wir untersuchen müssen, und noch wichtiger: was die pakistanische Regierung untersuchen muss." Islamabad habe signalisiert, an der Aufklärung ein starkes Interesse zu haben. Dies sei jedoch keine Frage von drei oder vier Tagen. "Es wird uns einige Zeit kosten, die Geheiminformationen auszuwerten, die wir vor Ort sammeln konnten", sagte Obama.
Pakistan: USA haben unsere Souveränität verletzt
Obama bestand nach einem Bericht der "New York Times" darauf, dass das Spezialkommando, das bin Laden tötete, groß genug war, um sich zur Not den Weg aus Pakistan freikämpfen zu können. Dies schrieb das Blatt unter Berufung hohe Regierungsbeamte und Militärs am Montag online. Sie sollten jede Konfrontation mit pakistanischen Sicherheitskräften vermeiden. Aber wenn sie hätten zurückschießen müssen, um herauszukommen, hatten sie die Erlaubnis dazu.
Pakistans Premier Gilani wies Spekulationen über eine mögliche Verwicklung des pakistanischen Geheimdienstes ISI oder anderer Stellen zurück. ISI und Armeeführung hätten das volle Vertrauen und die Unterstützung der Regierung, sagte der Premier. Zudem habe der Kampf gegen den Terrorismus "nationale Priorität".
Vor dem Parlament kritisierte der Premier, dass die US-Aktion ohne Rücksprache mit den Pakistanern abgelaufen sei. Damit hätten die USA die staatliche Souveränität seines Landes verletzt. Gleichzeitig warnte er vor weiteren Alleingänge dieser Art. Sollten strategisch wichtige Einrichtungen (wie etwa die Atomanlagen) ins Visier geraten, habe Pakistan das Recht, "mit aller Macht zurückzuschlagen". "Niemand sollte die Entschlossenheit und die Fähigkeiten der Nation und der Streitkräfte unterschätzen, unsere Heimat zu verteidigen", so Gilani.
US-Beamte werden wohl Osamas Witwen verhören
Pakistan will amerikanischen Terrorfahndern nach Angaben des US-Senders CBS direkten Zugang zu den drei Witwen des getöteten Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden gewähren. US-Beamte dürften die Frauen persönlich vernehmen und nicht nur Fragen bei den pakistanischen Behörden einreichen, berichtete der Sender am Montag (Ortszeit). Der pakistanische Außen-Staatssekretär Salman Bashir sagte dagegen am Dienstag in Islamabad, es gebe dazu noch keine Entscheidung: "Wir werden das Thema erwägen, wenn sie einen formalen Antrag stellen."
Zwei der Frauen stammten aus Saudi-Arabien, die dritte aus dem Jemen, berichtete der Sender CNN weiter unter Berufung auf US-Quellen. Sie waren während der Erstürmung von bin Ladens Anwesen vor einer Woche festgenommen worden und befinden sich in pakistanischem Gewahrsam.
Der pakistanische Widerspruch gegen die amerikanische Aktion gegen bin Laden war möglicherweise vorher schon bekannt. Der britische "Guardian" berichtet in seiner Online-Ausgabe über eine geheime Absprache zwischen dem früheren US-Präsidenten George W. Bush und Pakistans Ex-Militärmachthaber Pervez Musharraf nach der Flucht bin Ladens aus Afghanistan Ende 2001. Der Vereinbarung zufolge hätten die USA das Recht gehabt, den Topterroristen und die Nummer zwei und drei der Al Kaida in Pakistan eigenmächtig zu verfolgen, schrieb das Blatt unter Berufung auf ungenannte amerikanische und pakistanische Quellen. Teil der Absprache sei gewesen, dass die pakistanische Regierung nach einer entsprechenden Operation vehement dagegen protestieren würde.