Rund eine Million muslimische Schüler leben nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Deutschland. In den meisten westdeutschen Bundesländern gibt es seit langem Modellprojekte zum islamischen Religionsunterricht. In Nordrhein-Westfalen wird Islamkunde bereits seit 1999 gelehrt, doch die Pläne der Landesregierung für einen regulären Islamunterricht werfen viele Fragen auf.
Da reguläre Religionslehrer noch fehlen, werden ab 2012 vor allem Lehrer des bisherigen Schulversuchs an der Tafel stehen. Auf ihr neues Fach soll sie Mouhanad Khorchide, Professor für islamische Religionspädagogik in Münster, vorbereiten. Er hatte zu einem zweitägigen Seminar am Wochenende eingeladen.
Derzeit besuchen laut Schulministerium mehr als 10.000 muslimische Schüler an 133 Schulen den Schulversuch in Nordrhein-Westfalen. Zuständigkeit und Inhalt unterscheiden die Islamkunde von einem Religionsunterricht. Verantwortlich für die Islamkunde ist das Schulministerium. Einen "Reli"-Unterricht muss dagegen eine Religionsgemeinschaft gestalten. Außerdem wird in dem bisherigen Versuch neutral über den Islam informiert. In einem bekenntnisorientierten Religionsunterricht wird stattdessen der jeweilige Glaube vermittelt.
Ausbau stufenweise
Für die zum Schuljahr 2012/2013 geplanten Änderungen muss unter anderem noch das Schulgesetz geändert werden. Da es noch keine offiziell anerkannte Religionsgemeinschaft der Muslime gibt, soll vorerst ein Beirat aus Muslimen das letzte Wort in Fragen der Glaubenslehre haben. Darauf einigten sich das Schulministerium und die vier großen Moscheeverbände, die im Koordinationsrat der Muslime vertreten sind, im Februar.
Die bisher 80 muslimischen Islamkunde-Lehrer, die in der Regel Quereinsteiger oder für andere Fächer ausgebildete Lehrer sind, sollen auch den neuen bekenntnisorientierten Unterricht erteilen. Auf ihre Erfahrung und ihr Engagement setzt Landesschulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) weiterhin. Bereits im kommenden Sommer sollen 60 zusätzliche Lehrkräfte eine entsprechende Fortbildung abschließen. Der islamische Religionsunterricht soll laut Ministerin stufenweise ausgebaut werden. Wie viele der rund 320.000 muslimischen Schüler in Nordrhein-Westfalen später daran teilnehmen, sei noch nicht abzusehen.
Lernziel soll nicht sein, den Jungen und Mädchen ein Paket von Ge- und Verboten vorzusetzen, betont Religionspädagoge Khorchide. Stattdessen sollte Religion als dialogische Beziehung zwischen Gott und Mensch vermittelt werden. "Religion dient nicht der Verherrlichung Gottes, sondern der Glückseligkeit des Menschen", sagt der Professor. Und: "Religionsunterricht muss die Chance zu unzensiertem Gespräch sein."
Islam mit "Fragekultur"
Von Diskussionsverboten hält auch Harry Harun Behr, Professor für Islamische Religionslehre in Erlangen, nichts. Sogar allgemein anerkannte Glaubensgrundsätze dürften hinterfragt werden. Diese Fragekultur sei bereits im frühen Islam angelegt. "Der Koran will tüchtig auseinandergenommen werden", ermutigte Behr in Münster zu lebhaften Diskussionen.
Vom islamischen Religionsunterricht, den mehrere Bundesländer einführen wollen, versprechen sich Politiker mehr Integration. Doch Khorchide bremst: "Religionsunterricht ist kein Integrationsunterricht." Allerdings könne die Glaubensvermittlung im Klassenzimmer die jungen Menschen befähigen, sich selbst nicht nur über Abgrenzung von Nicht-Muslimen zu definieren. Das Fach könne zur Bildung einer positiven Identität beitragen.