Ein an humanistischen und nicht religiösen Werten ausgerichteter "Geistlicher" (humanist chaplain) würde ansonsten dasselbe tun wie christliche Seelsorger auch: Soldaten beraten und ihnen helfen, entsprechend ihres "Glaubens" zu leben. Der Vorschlag löste Entrüstung aus und traf vielerorts auf Unverständnis - allein schon wegen des offenkundigen Widerspruchs in dem Begriff "atheistischer Geistlicher".
Das Militärpfarrer-Konzept passe nicht zur atheistischen Weltanschauung, sagte der römisch-katholische Militärbischof Timothy Broglio im Katholischen Informationsdienst der USA. Und der Direktor eines Verbandes für evangelikale Militärgeistliche, Paul Vicalvi, kritisierte Atheisten als "militante Minderheit," die ihren Einfluss vermehren wolle.
Rund 3.000 Militärpfarrer arbeiten in den USA für die 1,4 Millionen Soldaten, Matrosen und Offiziere im Heer, in der Luftwaffe und bei der Marine. Die allermeisten Militärgeistlichen sind Christen, außer einer Handvoll von Muslimen und etwa zwei Dutzend Rabbinern.
"Druck von der christlichen Mehrheit"
Den Dienstvorschriften zufolge kümmern sich die Geistlichen um Soldaten aller Weltanschauungen. Der Militärpastor hält Gottesdienste. Er darf von seinem eigenen Glauben sprechen, aber nicht missionieren. Nach Ansicht von Paul Vicalvi funktioniert das. Evangelikale Militärgeistliche respektierten "den Glauben oder den fehlenden Glauben von jedem", sagte Vicalvi im Informationsdienst "Christian Post".
Dem widersprechen viele nichtgläubige Männer und Frauen in Uniform. Auf "militaryatheists.org" beklagen sich selbst als Atheisten bezeichnende Soldaten und Soldatinnen, sie erlebten im Alltag Druck von der dominierenden christlichen Mehrheit.
Bei ihrer Dienststelle im Brooke-Militärkrankenhaus in San Antonio (US-Bundesstaat Texas) schicke der Militärpfarrer jeden Tag E-Mails mit Bibelpassagen an alle, schrieb Majorin Tina Kinsley. Und Kommunikationsspezialist James Hughes: Alle Zeremonien und Feierlichkeiten, die er erlebt habe, hätten mit christlichen Gebeten begonnen. Bei der Grundausbildung hätten Soldaten Bibeln haben dürfen; sein Atheismus-Buch sei nicht genehmigt worden.
Mehr Atheisten als Juden und Muslime
Laut US-Verteidigungsministerium klassifizieren sich 9.400 Männer und Frauen in Uniform als Atheisten. Nicht sehr viele, aber mehr als Muslime und Juden. Und 9.400 sei wohl eine Unterschätzung, mutmaßte der "Militärische Verband". Bei einer Erhebung des Verteidigungsministeriums hätten fast 300.000 Soldaten gesagt, sie gäben "keiner Religion den Vorzug."
Glauben und Uniform sind in den multireligiösen USA, wo laut Verfassung eine strikte Trennung von Kirche und Staat herrscht, anscheinend ein kompliziertes Thema. Erst seit 1987 werden Buddhisten als Militärgeistliche zugelassen. 1993 diente der erste muslimische Militärgeistliche in der US-Army.
Das Profil der christlichen Militärgeistlichen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Heute geben die Evangelikalen den Ton an. Nach Angaben des Baptistischen Informationdienstes sind mehr als tausend Militärgeistliche evangelikale Christen. Obwohl 20 Prozent der Uniformierten Katholiken sind, stellt die römisch-katholische Kirche nur rund 250 Militärpfarrer.
Vom Präsidenten gewürdigt
In evangelikal geprägten Kirchen wird Patriotismus offener zur Schau getragen als in liberalen protestantischen Kirchen und bei den Katholiken. Die Probleme vieler Protestanten mit dem Militär gehen auf den Vietnamkrieg zurück. Damals haben viele Christen gegen den Einsatz protestiert.
Das Verteidigungsministerium wird sich wohl früher oder später mit der Bitte um "atheistische Militärgeistliche" befassen müssen. Dies vor dem Hintergrund, dass alternative Religionen und freidenkerische Positionen zunehmen in den USA. Der "American Religious Identification"-Untersuchung von 2008 zufolge, die sich auf Umfragen unter 54.000 US-Amerikanern gründet, haben rund 15 Prozent nach eigenen Angaben "keine Religion", fast doppelt so viele wie 1990 (8,2 Prozent).
Präsident Barack Obama hat die Atheisten ein Stück weit legitimiert, als er 2009 bei seiner Amtseinführungsrede sagte, die USA seien "eine Nation von Christen und Muslimen, Juden und Hindus und Nicht-Gläubigen". Andererseits erklärte Obama den vergangenen Donnerstag zum "Nationalen Tag des Gebets". US-Amerikaner sollten um göttlichen Segen für die Nation beten, und ganz besonders "für die Männer und Frauen unserer Streitkräfte", die selbstlos Opfer brächten.