Pakistan droht den USA - Signal Richtung Indien
Die Rhetorik wird schärfer. Nach dem Tod Osama bin Ladens beklagt Pakistan eine Verletzung seiner staatlichen Souveränität und warnt vor weiteren Alleingängen gegen Terroristen. Der Armeechef droht den USA. Doch der eigentliche Adressat der harten Worte ist Indien.
07.05.2011
Von Stefan Mentschel

Die tödliche US-Kommandoaktion gegen Osama bin Laden im Herzen Pakistans hat Regierung und Militär des Landes in Erklärungsnot gebracht. Das Ausland will vor allem wissen, warum der Al-Kaida-Chef so lange unbehelligt in der Garnisonsstadt Abbottabad leben konnte. In Pakistan fragt die Öffentlichkeit immer lauter, warum der eigene Sicherheitsapparat erst von dem Einsatz Wind bekam, als die US-Soldaten mit der Leiche schon auf dem Rückflug waren.

Angriff auf die staatliche Souveränität beklagt

Beantwortet hat Pakistan die Fragen bislang nicht. Allerdings beklagen ranghohe Offizielle inzwischen vehement, dass die Tötung des Terroristenchefs in der Nacht zum Montag auch ein schwerer Angriff auf die staatliche Souveränität des Landes gewesen sei.

Armeechef Ashfaq Parvez Kayani ging sogar noch einen Schritt weiter: Sollten die Vereinigten Staaten die Souveränität Pakistans mit einer ähnlichen Aktion noch einmal verletzten, dann müssten die militärische und geheimdienstliche Zusammenarbeit auf den Prüfstand gestellt werden, erklärte Kayani nach einem Treffen der Militärführung. Zudem verlangte er, die Zahl der US-Geheimagenten in Pakistan zukünftig "auf ein Minimum" zu reduzieren.

Die Beziehungen der USA zu Pakistan, einem wichtigen Partner im Kampf gegen den Terrorismus, sind seit längerem gespannt. Zum einen werden die US-Drohnenangriffe gegen Extremisten im Grenzgebiet zu Afghanistan vor allem in der Bevölkerung kritisiert. Erst am Freitag kamen bei einem solchen Einsatz mindestens zwölf Menschen ums Leben. Zum anderen sorgte der Geheimdienst CIA im Januar für Verärgerung, als ein Agent in Lahore unter ungeklärten Umständen zwei Einheimische erschoss.

"Abhängigkeit von den USA"

"Die Ausweitung der US-Präsenz im Land und die CIA-Aktivitäten bereiten Pakistan Kopfzerbrechen", sagt der frühere General Talat Masood. "Man hat das Gefühl, sie dienen nicht mehr den eigenen Interessen (Pakistans)." Allerdings könnten es sich beide Seiten ungeachtet der Rhetorik nicht leisten, sich voneinander loszusagen.

Die USA brauchen die Hilfe Pakistans, um die radikal-islamischen Taliban in Afghanistan in Schach halten zu können. Mehr als 100.000 pakistanische Soldaten sind derzeit in den Extremisten-Hochburgen an der Grenze im Einsatz. Pakistans Regierung und Militär wiederum sind auf die großzügige Finanzhilfe aus Washington in Höhe von jährlich drei Milliarden Dollar (rund zwei Milliarden Euro) angewiesen.

Vor diesem Hintergrund sieht Ex-General Masood in den harten Worten daher vor allem den Versuch, die Pakistaner zu beschwichtigen. "Pakistan hat bislang nichts unternommen, um die Abhängigkeit von den USA zu beenden", sagt er. "Deshalb kann man Washington auch nicht den Rücken kehren, selbst wenn das US-Militär noch 15 weitere Male Pakistans staatliche Souveränität verletzt."

Demonstration der Stärke gegenüber Indien

Es gibt allerdings einen weiteren Adressaten: Den Erzfeind Indien, der Islamabad seit langem Unterstützung von Terrorgruppen vorwirft. Dessen Armeechef hatte nach dem Tod Bin Ladens erklärt, auch das indische Militär sei fähig, gezielte Einsätze gegen Extremisten in Pakistan zu führen. "Die Pakistaner können verstehen, wenn die eigene Armee die Militärmacht USA nicht stoppen kann", sagte der Politologe Rasool Bux Raees. "Von einer sicherheitspolitischen Schwäche gegenüber Indien wollen sie aber nichts hören."

Pakistans Außenstaatssekretär Salman Bashir warnte daraufhin den Nachbarn auch eindeutig vor Alleingängen. "Es gab Stellungnahmen von jenseits der Grenze, dass eine solche Aktion wiederholt werden könnte. Wir glauben jedoch, dass das zu einer schrecklichen Katastrophe führen kann." Armeechef Kayani stieß ins gleiche Horn: "Jedes Abenteuer (Indiens) dieser Art wird entsprechend beantwortet werden."

dpa