Anklage: Milizenchefs ließen Massaker im Kongo zu
Vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart ist ein Prozess wegen Kriegsverbrechen im Kongo eröffnet worden. Verantworten müssen sich zwei Milizenchefs aus Ruanda, die von Deutschland Gewalttaten im Ostkongo gesteuert haben sollen: Ignace Murwanashyaka (47), Vorsitzender der Hutu-Miliz FDLR, und sein Stellvertreter Straton Musoni (50). Sie sind seit November 2009 in Untersuchungshaft.

Die Generalbundesanwaltschaft macht die Angeklagten für Kriegsverbrechen in 39 und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in 26 Fällen verantwortlich. So hätten Milizionäre der "Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas" (FDLR) in den Jahren 2008 und 2009 im Kongo mindestens 214 Menschen getötet, schwangere Frauen vergewaltigt und ihnen den Bauch aufgeschlitzt, heißt es in der Anklageschrift. Hunderte Häuser seien in Brand gesteckt, Menschen in Strafaktionen gezielt verstümmelt und Kinder in den Kriegsdienst geschickt worden.

Die FDLR, die über 3.000 bis 6.000 Kämpfer verfüge, habe im Ostkongo "eine auf Waffengewalt gestütztes Schreckensherrschaft" errichtet, um die Bevölkerung gefügig zu machen, verlas Oberstaatsanwalt Christian Ritscher aus der Anklageschrift. Durch "brutale Unterjochung" der Bevölkerung in Nord- und Südkivu sollte die Machtbasis der FDLR stabilisiert werden. Langfristiges Ziel sei, die ruandische Regierung zu stürzen.

Politische und militärische Befehlshaber

Murwanashyaka und Musoni (Foto: dpa), die beide in Handschellen in den Gerichtssaal geführt wurden, bildeten laut Anklage zusammen mit dem in Frankreich verhafteten ersten Sekretär Callixte Mbarushimana den politischen Kopf der FDLR, der auch militärische Befehlsgewalt hatte. Murwanashyakas Rolle rage dabei heraus. Über moderne Kommunikationsmittel habe das Führungstrio jederzeit ein aktuelles Bild der Lage gehabt. "Sie wussten, welcher Art die von der FDLR regelmäßig begangenen Verbrechen waren", sagte Ritscher. Sie hätten nicht versucht, die Kämpfer daran zu hindern.

Es ist der erste Prozess nach dem Völkerstrafgesetzbuch von 2002, das die Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen regelt, auch wenn sie im Ausland begangen wurden. Vorgesetzte sind demnach auch für die Taten ihrer Untergebenen verantwortlich, wenn sie sie nicht unterbunden haben.

Gleich zu Prozessbeginn war die Verteidigung in die Offensive gegangen: Die Anwälte stellten einen Befangenheitsantrag gegen die Vertreter der Generalbundesanwaltschaft, weil es "erhebliche Zweifel an ihrer Neutralität" gebe. Ritscher wies den Antrag als "viele Worte und viel Getöse" und als abwegig zurück. Der Senat lehnte eine Aussetzung des Verfahrens ab.

Verteidiger gehen in die Offensive

Die Verteidiger, darunter Ricarda Lang und Jan Bockemühl, wollen nun Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) einschalten, damit andere Vertreter der Bundesanwaltschaft in dem Prozess die Anklage vertreten. Die Verteidiger monierten, dass Staatsanwälte selbst in Zentralafrika Zeugen vernommen haben und dazu aussagen würden. Die Verteidigerin Murwanashyakas, Lang, beklagte, keinen vollen Einblick in die Ermittlungsakten zu haben.

Die Anwältin Musonis, Andrea Groß-Bölting, verlangte die Einstellung des Verfahrens und die Freilassung ihres Mandanten. Die Beweise bestünden im wesentlichen aus der Vernehmung von zehn anonymisierten Zeugen in Ruanda. Dabei seien Dolmetscher eingesetzt worden, die die ruandische Regierung ausgewählt habe. Sie berief sich dabei auf eine Aussage von Generalbundesanwältin Monika Harms bei einem Juristentreffen. Ritscher wies dies zurück. Die Dolmetscher seien ohne Mitwirkung der ruandischen Regierung bestimmt worden.

epd