Der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann kritisierte Äußerungen aus der Bundesregierung, der Tod des Al-Kaida-Anführers sei eine gute Nachricht. "Eine gute Nachricht wäre es gewesen, wenn er festgesetzt worden wäre und einem geregelten Gerichtsverfahren zugeführt worden wäre", sagte Dutzmann. Bin Laden, Kopf des Terrornetzwerkes Al Kaida, war in der Nacht zum Sonntag bei einer Kommandoaktion von US-Spezialeinheiten in Pakistan erschossen worden.
Religion für Terror missbraucht
Auch der Vatikan warnte vor Freude als Reaktion auf den Tod des Terroristen. "Angesichts des Todes eines Menschen freut sich ein Christ nie", betonte Vatikansprecher Federico Lombardi in Rom. Der Tod des Terroristenführers müsse vielmehr zum Nachdenken über die Verantwortung eines jeden vor Gott und den Menschen anregen.
Der Vatikansprecher äußerte die Hoffnung, dass bin Ladens Tod "Gelegenheit für ein weiteres Anwachsen nicht des Hasses, sondern des Friedens" werde. Der Terroristenführer habe Spannungen und Hass zwischen den Völkern geschürt. Er sei für den Tod unzähliger Menschen verantwortlich und habe die Religionen zu diesem Zweck missbraucht, sagte Lombardi.
Der westfälische Präses Alfred Buß kritisierte die Tötung des Terroristenführers. Gewalt anzuwenden, um Gewalt aus der Welt zu schaffen, sei eine verhängnisvolle Logik, sagte Buß der in Bielefeld erscheinenden "Neuen Westfälischen" (Dienstag). "Die Welt wird nicht besser, indem man Menschen tötet, sondern dadurch, dass man auf seine Feinde zugeht", betonte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche von Westfalen. Das sei oft mühsam und erfordere einen langen Atem. Christen hätten jedoch eine Hoffnung, die diesen langen Atem geben könne.
Wird die Welt dadurch friedlicher?
Buß bezweifelt, dass der Tod bin Ladens die Welt friedlicher macht. Die Ursachen des Terrors seien noch längst nicht besiegt, wenn seine Symbolfigur weg sei, erläuterte der oberste Repräsentant der viertgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland. "Das Feindbild ist weg, nicht aber die Bedrohung." Für Christen gelte das fünfte Gebot "Du sollst nicht töten", hob der 64-jährige Theologe hervor. In wenigen eng begrenzten Fällen wie bei einem Tyrannenmord oder um einen Amokläufer zu stoppen könne man zwar zu der Einsicht kommen, dass es ethisch geboten sei, sich über dieses Gebot hinwegzusetzen. "Dass ich dabei in jedem Fall schuldig werde, steht außer Frage."
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Der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms sagte, es sei immer richtig gewesen, Bin Laden zur Rechenschaft ziehen zu wollen. Dies könne aber nur mit rechtsstaatlichen Mitteln geschehen. Den Kopf des Terrornetzes Al Kaida gefangenzunehmen und vor den Internationalen Gerichtshof zu stellen, wäre der richtige Weg gewesen, sagte Brahms: "Es kann nicht die erste Absicht sein zu töten." Wenn er im Feuergefecht getötet worden sei, "ist das kein Grund zum Feiern". Bin Laden, der Kopf des Terrornetzwerks Al Kaida, war bei einer Kommando-Aktion amerikanischer Spezialkräfte in Pakistan ums Leben gekommen.
Dutzmann sagte dem epd, die Tötung eines Menschen sei ethisch nur als äußerstes Mittel zur Gefahrenabwehr zu rechtfertigen. Es dürfe nicht auf diesem Weg eine Todesstrafe eingeführt werden, noch dazu ohne ein Gerichtsverfahren, mahnte der Theologe. Der Militärbischof befürchtete, dass der Tod von Bin Laden zu einer Eskalation des Terrors führen könnte: "Man sollte sich nicht vormachen, man könnte mit der Tötung eines Terroristen den Terrorismus besiegen."
"Muslime unter Generalverdacht"
Der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime, Aiman Mazyek, sagte dem epd in Köln, seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 seien Muslime in Deutschland immer wieder nach terroristischen Anschlägen unter Generalverdacht gestellt worden. Er äußerte die Befürchtung, dass der Tod bin Ladens keinen grundsätzlichen Wandel in der gesellschaftlichen Atmosphäre gegenüber Muslimen bewirken werde.
Die Information über den Tod von Bin Laden nahm der Koordinierungsrat mit Erleichterung auf. Muslime hätten selbst "ein existenzielles Interesse, dass ihre Religion nicht von Extremisten missbraucht wird", betonte Mazyek. Es dürfe nicht vergessen werden, dass die Mitglieder des Terrornetzwerks bei ihren Opfern nicht zwischen Muslimen und anderen unterscheiden. "Die größte Opfergruppe der Anschläge sind Muslime", sagte Mazyek.