Terror in Marokkos "Perle des Südens"
Schock in Marokko: Ein Bombenanschlag hat in Marrakesch mindestens 18 Menschen in den Tod gerissen. Die Ermittler rätseln noch über Täter und Hintergrund.

Das "Argana" ist wie stets gut besucht zur Mittagszeit. Zahlreiche Touristen genießen von der Terrasse im ersten Stock den Blick auf das faszinierende Treiben auf dem Jamaa el-Fna-Platz, der für seine Händler, Gaukler und Schlangenbeschwörer weltberühmt ist und zum Weltkulturerbe zählt. Plötzlich erschüttert eine gewaltige Explosion das Kaffeehaus im Zentrum der Medina. "Wir hörten einen lauten Knall, dann brach die Decke ein", berichtete ein Augenzeuge am Donnerstag im Fernsehen.

Viele Besucher werden unter den Trümmern begraben. Bis zum Abend zählen die Rettungskräfte 18 Tote und 20 Verletzte, darunter auch 11 ausländische Besucher. Zunächst glauben die meisten an eine Gasexplosion in der Küche des Cafés. Auch das Innenministerium geht anfangs von einem Unfall aus, spricht dann von einem "kriminellen Akt". Erst später wird klar: Es war ein Terroranschlag. In Medienberichten ist von einem Selbstmordattentäter die Rede. Er soll einen Orangensaft bestellt und sich dann in die Luft gesprengt haben.

"Hatte Angst, dass weitere Bomben hochgehen"

Der Feuerwehr und der Polizei bietet sich ein grausiges Bild. Auf dem Boden liegen entstellte Leichen, sie werden zunächst notdürftig mit Tischdecken vor den Blicken der Schaulustigen geschützt. "Die Explosion war auch in zwei Kilometern noch zu hören", erzählt ein Einheimischer.

"Ich stand direkt vor dem Lokal und hab die Brocken, die dort spritzten, abbekommen", schilderte der deutsche Augenzeuge Matthias Luft aus Hessen dem Sender Hit Radion FFH am Telefon. "Aber nicht so, dass es mich verletzt hätte. Ich war vor allem von der Explosion schockiert, hab mich auch erstmal entfernt - weil ich auch Angst hatte, dass vielleicht weitere Bomben hochgehen." Und weiter: "Ich war natürlich sehr erschrocken, die Knie zittern, zwischendurch kamen einem auch die Tränen hoch, wenn man die Opfer gesehen hat, die rausgetragen wurden."

Für die Einwohner der Wüstenstadt und für Marokko als Urlaubsziel ist das Attentat ein Schock. Marrakesch, als "Perle des Südens" bekannt, ist mit seinen roten Lehmmauern die beliebteste der "Königsstädte" des nordafrikanischen Landes. Jährlich werden mehr als eine halbe Million Touristen gezählt.

Steckt Al-Kaida-Ableger AQMI hinter Blutbad?

Die Ermittler rätseln derweil über die Täter und den Hintergrund. Die Sicherheitskräfte Marokkos, das als wichtiger Verbündeter des Westens gilt, greifen seit den Selbstmordanschlägen auf westliche und jüdische Einrichtungen in der Wirtschaftsmetropole Casablanca im Mai 2003 hart gegen islamistische Extremisten durch - zu hart, beklagen Menschenrechtsorganisationen. Damals kamen 45 Menschen ums Leben, darunter 12 der Täter. Seither hatte es keine größeren Anschläge mehr gegeben.

Spekuliert wird, der nordafrikanische Al-Kaida-Ableger AQMI könnte hinter dem Blutbad in Marrakesch stecken. Doch dazu schweigt das Innenministerium. "Die Ermittlungen sind im Gange", heißt es lediglich.

Ob das Attentat mit den jüngsten Protesten für demokratische Reformen zusammenhängen könnte, ist ebenfalls unklar. Gewalttätige Unruhen wie in anderen Ländern der Region sind in Marokko bislang ausgeblieben, zumal der durchaus beliebte König Mohammed VI. weitreichende Reformen zugesagt hat.

Sicherheitsrat verurteilt Anschlag von Marrakesch

Der Weltsicherheitsrat hat den Anschlag auf ein Café im marokkanischen Marrakesch "aufs Schärfste" verurteilt. In einer Presseerklärung sprachen die 15 Ratsmitglieder den Angehörigen der Opfer dieser "schrecklichen Tat" ihr Mitgefühl aus. "Jede Form von Terrorismus ist kriminell und nicht zu rechtfertigen", heißt es in der in der Nacht zum Freitag in New York verbreiteten Erklärung. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich "entsetzt" von dem Anschlag.

Wie ein Sprecher mitteilte, wies Ban den Einsatz "wahlloser Gewalt gegen unschuldige Zivilisten" scharf zurück. "Kein politisches Ziel rechtfertigt solch eine abscheuliche Tat oder wird durch sie bedient", erklärte der UN-Generalsekretär. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte, die Tat "darf keinesfalls dazu führen, dass der eingeleitete Reformprozess in Marokko unterminiert wird."

dpa