"Sieh dir ein Blumenbeet an, das genügt!"
Tulpen, soweit das Auge reicht - in rot, rosa, orange, lila, gelb. Koblenz leuchtet bunt in diesem Frühling, die Bundesgartenschau hat begonnen. Mittendrin auch die "Kirche auf der BUGA" mit biblischen Weinproben, Andachten in der Festungskirche und einem kleinen Paradiesgärtchen neben der Basilika Sankt Kastor.
29.04.2011
Von Anne Kampf (Text) und Anika Kempf (Fotos)

Man möchte nicht mehr weg von diesem Fleckchen Erde. Der "Garten Eden" in Koblenz ist märchenhaft schön und strahlt eine fast mystische Ruhe aus. Nach dem Vorbild des mittelalterlichen Gemäldes "Maria im Paradiesgärtlein" wurden in dem umschlossenen Viereck weiße Blumen als Mariensymbole gepflanzt: Tulpen, Rosen, Pfingstrosen, Erdbeeren, weiße Veilchen und als Farbtupfer dunkelblaue Akeleien. Dazu als Sinnbild für die Ewigkeit immergrüne Pflanzen wie Buchsbaum und Efeu.

"Was kümmert mich das Wesen Gottes, sieh dir eins seiner Blumenbeete an, das genügt." Der Spruch des Künstlers Paul Klee steht an einer der Außenmauern, er drückt wohl das Empfinden vieler Besucher im Paradiesgärtlein aus: Staunen über die Schöpfung. "Das Herz ist so offen bei den Menschen", freut sich der evangelische BUGA-Pfarrer Sven Dreiser, und sein katholischer Kollege Kalle Grundmann weist auf die beiden Verse aus der Schöpfungsgeschichte in der Mitte des Gartens hin.

"Gott nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten"

Dort, in der Mitte, steht ein langes Wasserbecken als Sinnbild für die Quelle des Lebens. "Ein Strom entspringt in Eden, der den Garten bewässert." (Gen 2,10a), und auf der anderen Seite: "Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte" (Gen 2,15). Kalle Grundmann hat die Verse vorgeschlagen. Er erinnert daran, dass ein Garten keine wilde Natur, sondern Kulturlandschaft ist: Der Mensch soll sorgsam mit der Natur umgehen.

"Die BUGA ist mehr als eine Blümchenschau. Wir wollen, dass die Menschen durch unsere Anwesenheit über Gott stolpern", fasst Grundmann das Ziel von "Kirche auf der BUGA" zusammen. Träger des Projektes sind die Evangelische Kirche im Rheinland, der evangelische Kirchenkreis Koblenz und das Bistum Trier. Grundmann und sein evangelischer Kollege sind zeitweise freigestellt für die Tätigkeit auf der BUGA, "die schönsten Pfarrstellen in diesem Sommer", lacht Sven Dreiser (Foto links). Und Kalle Grundmann (rechts) ergänzt: "Hier darf man als Theologe mal Theologe sein und muss nicht über Strukturen und Finanzen diskutieren."

Der wichtigste Job: sich freuen

Die Kirchen wollen gastfreundlich sein, mit den BUGA-Besuchern über die Schönheit der Schöpfung staunen, positive Bilder anbieten – aber nicht das Leid ausblenden. In Kerzen, in Gebeten, im "Gedankenbuch" sind auch die Schatten des Lebens präsent, die Menschen suchen Besinnung in den beiden Kirchen und im Raum der Stille. "Es gibt eine große Sehnsucht nach unseren Angeboten", sagt Sven Dreiser. Er ist überwältigt davon, wie viele Menschen kommen, "wir sind im Rausch", gesteht der Pfarrer zwei Wochen nach Beginn der Schau.

"Kirche auf der BUGA" bietet kurze Konzerte in der Basilika St. Kastor am Deutschen Eck an, außerdem Kunstausstellungen, ein Projekt mit Schülern, Gottesdienste und jeden Mittag und Abend eine kurze Andacht. Neben den beiden Pfarrern sind 150 Ehrenamtliche im Einsatz – katholische, evangelische und freikirchliche. "Das gibt einen ökumenischen Pusch für Koblenz", freut sich Kalle Grundmann. Die Hauptaufgabe der Mitarbeiter: "Lächeln", die Menschen freundlich willkommen heißen.

Einen besonderen Job hat Werner Unkelbach an einer Seitentür der Basilika St. Kastor: Er kontrolliert die Eintrittsstempel – und zwar beim Rausgehen. Die katholische Kirche hat darauf bestanden, dass die Basilika "BUGA-freie Zone" bleibt, denn sonst müssten Gottesdienstbesucher Eintritt bezahlen, um ihre Pfarrkirche zu betreten. Das geht nicht, meint der Pfarrer. Also stehen jeden Tag von morgens bis abends ehrenamtliche Kontrolleure an den Türen, fragen die erstaunten Heraustretenden nach ihren Stempeln – und lächeln.

Mit der Seilbahn in Richtung Himmel

Von St. Kastor und dem Paradiesgärtlein geht es per Seilbahn hinauf Richtung Himmel. Oben auf der Festung Ehrenbreitstein hat die "Kirche auf der BUGA" ihren Hauptstandort: Die alte Festungskirche, die sonst für Kunstausstellungen genutzt wird, wurde für die BUGA wieder zum Sakralraum umdekoriert. Es wurden Wände angestrichen, Abtrennungen eingezogen, Kunstwerke in Auftrag gegeben. Vorn am Altar steht anstelle des Kreuzes eine Erde-Licht-Installation aus Glas. Wer will, kann in dem Werk der Landauer Künstlerin Madeleine Dietz doch ein Kreuz erkennen.

"Hier drinnen dürfen sich die Augen ein bisschen ausruhen", erklärt der evangelische BUGA-Pfarrer Sven Dreiser, die Festungskirche soll ein Kontrast zur Reizüberflutung draußen sein. Bis auf eine kleine florale Installation zu Ostern ist die Kirche blumenfreie Zone. Außerdem soll sie Ort des Friedens sein, um dem Eindruck der militärischen Festungsanlage entgegen zu wirken. Für die Besucher gibt es Postkarten mit biblischen Friedensworten.

Kalle Grundmann: Weinerlebnisbegleiter und Prediger

"Besinnung" ist an diesem Donnerstagnachmittag eher Sven Dreisers Thema, während sein katholischer Kollege Kalle Grundmann unter Strom steht: Um 15.30 Uhr beginnt seine "biblische Weinprobe". Der Theologe hat sein Hobby zum Nebenberuf gemacht und sich "IHK-zertifizierten Weinerlebnisbegleiter" ausbilden lassen. Jetzt bringt er den BUGA-Gästen rheinland-pfälzische Weinsorten näher. "Der Wein ist die Krücke, um ein bisschen predigen zu können", erklärt Grundmann mit spürbarer Vorfreude auf seinen Auftritt.

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30 Gäste nehmen an der wöchentlichen biblischen Weinprobe teil, sitzen erwartungsvoll an Cafétischen in einem schmalen Innenhof der Festung. Kalle Grundmann bietet sein ganzes kabarettistisches Talent auf und legt los: "Das hier ist in erster Linie ein hochwissenschaftliches Referat über die Bedeutung des Weines in der Bibel", kündigt er an, "und zwischendurch gibt es mal ein Schlückchen Wein". Erste Lacher aus dem Publikum – das kann lustig werden.

Es wird lustig. Schließlich lautet der erste Bibelvers aus Psalm 104,15 : "Der Wein erfreut des Menschen Herz." Wein zur Freude und Brot zu Stärkung, "das zieht sich durch die ganze Bibel", erklärt der Prediger und verweist besonders auf das Abendmahl: "Wein und Brot - das ist alles, was du brauchst." Zum Wohl! Verkostet wird ein 2010er Silvaner aus Rheinhessen.

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Dann warnt Kalle Grundmann mit Jesus Sirach vor übermäßigem Weinkonsum: "Beim Wein spiel nicht den starken Mann" (Sir 31,25). Frustsaufen sei ungesund, aber (Grundmann hat sich auch medizinisch fortgebildet) regelmäßiger und mäßiger Weinkonsum sei gesünder als gar keiner. Das Publikum diskutiert belustigt mit ihm, was "regelmäßig" und "mäßig" bedeutet… Zwei ältere Herren haben den Beginn der biblischen Weinprobe verpasst, schleichen sich jetzt hinter den Stuhlreihen entlang nach vorne, schnappen sie leere Gläser – und bekommen tatsächlich einen Schluck ab vom 2009er Weißburgunder von der Mosel.

Bei Nehemia gab es süßen Wein

Zum Schluss eine Geschichte aus dem Buch Nehemia, die die Menschen besonders berührt. Eine Anweisung an das Volk Israel nach der glücklichen Rückkehr aus dem Exil: "Haltet ein festliches Mahl und trinkt süßen Wein" (Neh 8,10). Grundmann erinnert an das Ende des Zweiten Weltkrieges und an das Bedürfnis der Menschen, nach Katastrophen gemeinsam Gottesdienst zu halten und zu feiern. Viele Teilnehmer denken an die Nachkriegszeit, finden ihre eigene Geschichte in der biblischen Erzählung wieder – und heben ergriffen ihr Glas 2010er Reisling Spätlese vom Mittelrhein.

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Der Theologe und Weinerlebnisbegleiter Kalle Grundmann hat in einer halben Stunde gleich drei Predigten gehalten - so funktioniert "Kirche auf der BUGA". Die Gäste würden am liebsten bleiben. Gerne nehmen sie noch ein paar Weintrink-Tipps mit auf den Weg: Erst die Farbe anschauen, dann riechen, dann schlürfen, mit möglichst viel Luft, "das öffnet die Geschmacksknospen". Mit blumigen Worten schickt Grundmann die Gäste wieder hinaus zu den bunten Beeten: "Übrigens - die besten Weingläser sind die in Tulpenform!"


Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Politik und Gesellschaft. Anika Kempf ist Fotografin und Fotoredakteurin bei evangelisch.de.