Es werden zu wenige sein, davon geht Ute Giesecke-Tapp aus: Rund 10.000 Zivildienstleistende waren es zuletzt, die zur gleichen Zeit in der Diakonie arbeiteten. Mit dem Ende der Wehrpflicht müssen ihre Stellen ersetzt werden. Genauer gesagt: Sie müssten. "Am Anfang halte ich es für realistisch, etwa 4.000 Bundesfreiwillige zusammenzubekommen", sagt Giesecke-Tapp, die als Referentin der Evangelischen Freiwilligendienste gGmbH dafür zuständig ist, junge Menschen für diese Dienste zu begeistern. Doch das ist nicht so leicht: "Wenn wir potenzielle Bewerber auf den Bundesfreiwilligendienst ansprechen, merken wir immer wieder: Der Dienst ist unbekannt."
Problem aller Sozialverbände: Planungsicherheit
Das Problem der Diakonie ist das aller Sozialverbände: Erst seit der Bundesrat am 15. April als letzte Instanz die Aussetzung von Wehrpflicht und Zivildienst billigte, ist die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes zum 1. Juli gesetzlich festgeschrieben. Keine drei Monate haben Regierung und Verbände also, den neuen Dienst bekanntzumachen, der anders als das Freiwillige Soziale Jahr auch Menschen im Alter von über 27 Jahren ansprechen soll - am besten gleich 35.000 von ihnen, hofft Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU).
Die Verbände sind weniger optimistisch und richten sich zunächst auf geringe Bewerberzahlen ein. Damit das nicht lange so bleibt, versuchen es viele mit Appellen und oder Druck auf die Bundesregierung, die eine große Werbeinitiative angekündigt hat. "Uns läuft die Zeit davon, denn wenn die jungen Leute den nächsten Schritt ihrer Lebensplanung abgeschlossen haben, geht eine Kampagne ins Leere", sagt etwa Caritas-Präsident Peter Neher.
Zugleich geht es auch um langfristige Planungssicherheit: Gegenwärtig können Eltern von Aktiven im Freiwilligen Sozialen Jahr weiterhin Kindergeld beziehen, beim Bundesfreiwilligendienst soll das aber nicht möglich sein - eine Änderung ist allerdings bereits in der Diskussion. "Ab wann soll das möglich sein? Gegenwärtig können wir unseren Interessenten keine langfristigen Vorhersagen über die Entwicklung des neuen Dienstes geben", sagt Ute Giesecke-Tapp. "Außerdem brauchen wir eine Anerkennungskultur für freiwillige Arbeit". Das könne etwa über Ermäßigungen im Bus- und Bahnverkehr geschehen oder über den Erlass von Studiengebühren.
Mehr Engagement in der Werbung
Weil sich aber offenbar niemand auf die Politik alleine verlassen will, arbeiten viele Verbände auch an eigenen Werbekampagnen. "Etwa 95 Prozent aller Zivi-Stellen sind durch Mund-zu-Mund-Propaganda vergeben worden. Deswegen suchen wir vermehrt den Kontakt zu Schulen", sagt Thomas Niermann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Dort fallen im Vergleich zu den letzten Jahren etwa 11.000 Zivi-Stellen weg. Es gehe um "Multiplikationswirkung". Darüber hinaus habe man die Internetseite www.bundesfreiwilligendienste.info ins Netz gestellt.
"Wir müssen sehen, ob wir eine Kampagne starten", sagt Ute-Giesecke-Tapp. Das werde aber frühestens im nächsten Jahr der Fall sein. "Wir brauchen auf jeden Fall mehr Engagement in der Werbung", räumt auch Caritas-Präsident Neher ein.
Dass die Wirkung von Werbekampagnen erst mittelfristig einsetzen würde, scheint allen klar. Man hoffe, kurzfristige Engpässe etwa mit geringfügiger Beschäftigung überbrücken zu können, so Niermann. Aushilfen und Ein-Euro-Jobber bringt auch Ute Giesecke-Tapp ins Gespräch. "Außerdem wird es vermehrt zu Outsourcing kommen." Ein Beispiel sei der Fahrdienst eines Trägers: Statt wie zuvor von Zivildienstleistenden werde dieser schon jetzt übernommen - vom örtlichen Taxiunternehmen.