Zurück auf Los in der Endlagerfrage?
In Deutschland könnte Atommüll in Steinsalz oder Ton gelagert werden. Mögliche Endlager-Regionen sind bereits identifiziert. Doch eine neue Suche geht nur, wenn alle Länder mitmachen und das Verfahren transparent ist.
27.04.2011
Von Georg Ismar

In weniger als einer Minute rauscht der Fahrstuhl in die Tiefe. Nach 840 Metern stoppt der Käfig abprupt. Die kilometerlangen Gänge im Salzstock Gorleben vermitteln den Eindruck, die Erkundungsarbeiten für die Einlagerung von hochradioaktivem Atommüll seien schon weit gediehen.

Die Grünen wettern, hier werde nicht erkundet, sondern das sei ein Schwarzbau. Feuchtschimmernde Salzflächen in dem Tunnelsystem deuten auf Kohlenwasserstoff-Vorkommen hin. Kommen sie großflächig vor, wäre das ein Ausschluss-Kriterium.

Über dem möglichen Einlagerungsort gibt es eine 600 Meter dicke Salzschicht, doch es gibt Zweifel, ob das darüber liegende Deckgebirge entlang dem 30 Kilometer langen Salzstock zerklüftet genug ist, um Atommüll auf ewig sicher zu lagern.

Umweltminister Röttgen unter Zeitdruck

Ein Konsens in der Endlagerfrage ist mit Gorleben nicht zu machen, da SPD und Grüne unbedingt weitere Optionen testen wollen. Der Vorstoß der neuen grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg auch auf ihrem Gebiet die Endlagersuche zuzulassen, bringt Bewegung in das Thema. Auch wenn Bayerns Umweltministerium schon den Finger hebt und sagt, im Freistaat gebe es keine geeigneten Stätten: Eine bundesweite Suche würde nur klappen, wenn alle Länder mitmachen.

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) würde gern die Endlagerfrage als Teil des Atomausstiegspakets mit den Ländern neu aufrollen. Da sich der Prozess über mehrere Bundestagswahlen hinziehen wird, kann das Problem eigentlich nur im Konsens gelöst werden. So oder so erhöht sich der Druck, da die Zwischenlager in Gorleben, Ahaus, Lubmin und an den Atomkraftwerken nur eine Betriebserlaubnis für 40 Jahre haben.

Die Nachteile von Salz und Ton

So wie in Gorleben sollte es nicht laufen: Der Salzstock war Ende der 70er Jahre nicht erste Wahl. In einer Studie der Kernbrennstoff-Wiederaufarbeitungs-Gesellschaft (KEWA) wurde der Salzstock Wahn im Emsland weit besser bewertet, wegen Protesten wurden die dortigen Erkundungsarbeiten aber 1976 abgebrochen. Die niedersächsische Landesregierung, die sich vor Tschernobyl und dem Entstehen einer Anti-Atom-Bewegung um den Standort des Nuklearen Entsorgungszentrum (NEZ) bemühte, schlug dem Bund nach einer Untersuchung von 140 Salzstöcken 1977 Gorleben vor, das an der damaligen DDR-Grenze lag.

Grundsätzlich gibt es in Deutschland die Möglichkeit, Atommüll in mehreren hundert Metern Tiefe in Salz- oder Tongesteinen zu lagern. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) nennt in einer Studie untersuchungswürdige Salz- und Tongesteinsformationen in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Ton hat den Nachteil, dass es weniger hitzebeständig ist, der Atommüll dürfte eine Temperatur von 100 Grad nicht überschreiten, im Salz sind laut BGR bis zu 200 Grad möglich. Zudem "kriecht" das Salz, was zu einem Selbstverschluss von Hohlräumen, in denen Abfälle lagern, führen kann. Aber Salz ist löslich. Kritiker verweisen auf das Asse-Debakel, wo nach Wassereinbrüchen 126.000 Abfallfässer mit schwach- und mittelradioaktivem Müll geborgen werden müssen.

DIe Suche wird schwierig und dauert lang

Die Entscheidung über Gorlebens Eignung ist nicht vor 2015 zu erwarten. Eine parallele Prüfung mehrerer Standorte, womöglich auch unter Einschluss Gorlebens, hätte den Vorteil, dass nicht unnötig Zeit vergeudet wird, falls Gorleben letztlich scheitern sollte. Wichtig wäre auch eine Einbindung der Bürger, bei Gorleben wussten die Bürger bisher kaum, was unter Tage eigentlich so passiert.

Im Namen der Regierung könnte das Bundesamt für Strahlenschutz die Federführung bei einer bundesweiten Suche übernehmen. Für die Erkundung gibt es internationale Kriterien, was ein nachvollziehbares und transparentes Verfahren ermöglicht. Zunächst wären umfangreiche Bohrungen und Messungen notwendig, was bereits Jahre dauern dürfte.

Nach und nach würde das Raster enger gezogen, bis nur noch zwei oder drei Standorte in der Endauswahl übrig bleiben. Nach einem Langzeitsicherheitsnachweis würde ein Genehmigungsverfahren und ein Planfeststellungsbeschluss zur Endlagerrichtung folgen. Allein dieser Prozess würde 15 Jahre dauern. Der Endlagerstandort könnte wohl mit Kompensationszahlungen in Millionenhöhe rechnen. Die schlichte, aber weltweit so schwer zu erfüllende Voraussetzung: Es muss garantiert werden, dass die radioaktive Strahlung dauerhaft in der Tiefe bleibt.

dpa