Flüchtlinge auf Lampedusa: Ein Zeichen der Hoffnung
Wie geht es den nordafrikanischen Flüchtlingen auf der italienischen Insel Lampedusa? Michele Prosperi, Italien-Sprecher der Hilfsorganisation "Save the Children " zieht eine vorsichtig positive Zwischenbilanz.
27.04.2011
Von Michele Prosperi

Seit dem 10. Februar steht die Insel Lampedusa im Zentrum eines Flüchtlingsdramas im Mittelmeer. Der Zustrom von Migranten aus Tunesien, Libyen und anderen afrikanischen Ländern auf der Flucht vor Armut, politischen Unruhen und Gewalt hat eine nicht vorhersehbare humanitäre Krise in Süditalien und besonders in Lampedusa hervorgerufen - eine kleine Insel 205 km von der italienischen Küste entfernt, zwischen Tunesien und Sizilien gelegen, das als Auffanglager für die vielen Migranten dient, die dort unter abenteuerlichen Umständen anlanden, nachdem sie mitunter tagelang auf morschen Booten unterwegs waren.

Das Ziel dieser Migranten ist Europa. Einige - darunter die meisten tunesischen Flüchtlinge - versuchen nach Frankreich zu kommen, manche nach Deutschland oder in andere Länder, aber viele sind einfach nur auf der Suche nach Freiheit und einer Chance, in Italien zu leben. Ihre unterschiedliche Herkunft macht keinen Unterschied angesichts der zunehmend kritischen Lebens- und Hygienebedingungen auf der Insel, die sich im gleichen Tempo verschlechterten, wie die Zahl der ankommenden Flüchtlinge stieg.

Viele Kinder unter den Flüchtlingen

Besonders litten die etwa 700 unbegleiteten Kinder zwischen 12 und 17 Jahren, die seit 10. Februar in Lampedusa eintrafen, unter den Umständen. Die meisten von ihnen waren gemeinsam mit Frauen und Babys ausgesetzt worden.

Save the Children Italien arbeitet in Lampedusa mit einem fünfköpfigen Team: zwei Kulturvermittler, eine Sozialarbeiterin und zwei Rechtsberater für sofortige humanitäre Hilfe und Unterstützung durch weitere Informationen, kulturelle Mediation und Rechtsberatung für Kinder, wozu auch die Überwachung der Lebensstandards in den Unterbringungszentren gehört. Die Organisation kooperiert mit der Flüchtlingshilfe der Vereinten Nationen (UNHCR), der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und dem Italienischen Roten Kreuz unter der Koordination des italienischen Innenministeriums und hat so die Möglichkeit, überall auf der Insel zu arbeiten.

Von Anfang an stand Save the Children in vorderster Reihe derer, die an die italienischen Behörden appellierten, rechtzeitig Pläne für die Unterbringung unbegleiteter minderjähriger Migranten in Kinderheimen zu entwickeln, wo sie sicher sind und ihre gesellschaftliche Integration im Einklang mit dem italienischen Recht beginnen können. Inakzeptabel waren jedoch Art und Dauer der Erfassung der Flüchtlinge und ihr Transfer zum Festland; zudem ging von schweren, teils gewalttätigen Protesten in den Aufnahmelagern eine erhebliche Gefahr für die Kinder aus.

17-jähriger Überlebender

Mitte April befanden sich noch immer 35 Kinder auf der Insel und warteten auf ihre Chance zu einem Neuanfang, während alle anderen in Kinderheime beispielsweise in Sizilien, Latium und Ligurien gebracht wurden. Auch dort kümmert sich Save the Children um sie.

Einer der Flüchtlinge, der 17-jährige D. aus Mali, berichtete den Mitarbeitern der Hilfsorganisation von der Gewalt, unter der er in einer Haftanstalt für abgewiesene Flüchtlinge in Libyen gelitten hatte. D. kam mit zwölf Jahren in Begleitung einiger Erwachsener dorthin und hatte nach dem Tod seiner Eltern seine kleine Schwester in Mali zurücklassen müssen. Nach seiner Flucht aus dem Lager wurde er gerade zu der Zeit wieder aufgegriffen, als die Unruhen in Libyen aufflammten und er wegen seiner dunklen Haut als ein möglicher Sympathisant von Gaddafis Truppen verdächtigt wurde.

D. beschloss, auf einem alten Boot nach Italien zu fliehen, doch es sank am 6. April bei einer Rettungsaktion im offenen Meer etwa 20 Kilometer vor Lampedusa. Etwa 200 Migranten kamen dabei ums Leben - D. war der Jüngste unter den 51 Menschen an Bord, die gerettet wurden. Auch mehrere Kinder ertranken den Berichten zufolge bei dem Unglück.

Das "Geschenk Gottes"

Erst zwei Wochen zuvor war auf einem anderen Boot ein Junge geboren worden, dessen Eltern aus Eritrea und Somalia stammen. Sie waren auf der Flucht aus Libyen und waren tagelang unter schwierigsten Bedingungen ohne Nahrung und Wasser auf dem Meer unterwegs. Tareke Brhane, ein eritreischer Kulturvermittler von Save the Children, nahm die Mutter und ihr Baby in Lampedusa in Empfang, nachdem sie nur vier Stunden nach der Niederkunft per Hubschrauber auf die Insel gebracht worden waren. Der Neugeborene bekam den Namen Belay Yeabsera, "Geschenk Gottes".

Tareke Brhane hat in den vergangenen Jahren schon Tausenden Migranten in Süditalien beigestanden und war so tief bewegt von diesem Hoffnungszeichen inmitten einer Tragödie, dass er sich erfolgreich für eine Ausnahmeregelung einsetzte: Der kleine Junge besitzt nun eine italienische Geburtsurkunde vom 26. März 2011, in der steht: "Belay Yabsera wurde in einem unbekannten Ort etwa 20 Kilometer südlich von Lampedusa geboren."


Spendenkonto der Hilfsorganisation Save the Children: Nr. 929 bei der Bank für Sozialwirtschaft Berlin (BLZ 100 205 00), Stichwort: Libyen