TV-Tipp des Tages: "Evet, ich will!" (Arte)
In Berlin treffen vier Paare zusammen, die alle denselben Wunsch haben: Sie wollen heiraten. Das Problem: Jeder von ihnen muss auf irgendeine Weise mit der türkischen Tradition kämpfen, denn ob schwul, deutsch, nicht gläubig oder einfach nur scharf auf eine Aufenthaltsgenehmigung - so einfach kann man nicht mal eben sagen: "Evet, ich will!".
27.04.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Evet, ich will!", 27. April, 22.10 Uhr, auf Arte

Deutsche und Türken haben fraglos mehr gemeinsam, als die gegenseitigen Vorurteile und Klischees vermuten lassen. Beim Heiraten aber scheinen die beiden Kulturen unversöhnlich aufeinander zu prallen. Schon der vielfach preisgekrönte Fernsehfilm "Meine verrückte türkische Hochzeit" lebte davon, sich auf äußerst liebevolle und entsprechend liebenswerte Weise über die vielen kleinen und großen Unterschiede lustig zu machen. Sinan Akkus, der 35 seiner 38 Lebensjahre in Deutschland verbracht hat, treibt das Thema in seinem Debüt "Evet, ich will!" auf die Spitze: Sein episodisch inszenierter Ensemblefilm erzählt von gleich vier Paaren, deren Ehelichung am Einspruch der Eltern zu scheitern droht; und nur in einem Fall will eine türkische Tochter (Lale Yavas) ihren deutschen Freund (Oliver Korittke) heiraten.

Im Unterschied zum ProSieben-Film, der die Hochzeit mit Hindernissen vor allem aus dem deutschen Blickwinkel schilderte, erzählt Akkus (Buch und Regie) die Geschichte quasi von innen. Und plötzlich zeigt sich, dass kulturelle Differenzen keineswegs bloß Fragen von Religion und Nationalität sind: Ähnlich unüberbrückbar scheinen die Abgründe, wenn sich ein Kurde (Tim Seyfi) und eine Türkin (Idil Üner) vermählen wollen; ganz zu schweigen von dem Entsetzen der Eltern, wenn ihr Sprössling (Eralp Uzun) ausgerechnet bei der Brautschau endlich gesteht, dass er schwul ist und einen Kollegen (Mickey Hardt) liebt.

Im Gegensatz zu den Eltern macht Akkus aber nie ein Drama draus, und das ist das Schöne an diesem Film, denn im Grunde sind die Konflikte natürlich alles andere als komisch. Die konsequente Zuspitzung und die Dramatisierung der Beteiligten aber lassen die Situationen immer wieder eskalieren. Coskun, der Kurde, kann seine Familie nur mit Waffengewalt dazu bewegen, beim Vater von Freundin Günay um ihre Hand anzuhalten. Die Pistole, in Wirklichkeit ein Feuerzeug, wie er später auch den eilends alarmierten Polizisten beweisen muss, hält er sich dabei an die eigene Kehle. Günays Vater ist gegen alle Vorurteile ein höchst liberaler Mann, aber seine Tochter schließt er trotzdem ein; also muss Coskun die Geliebte nach alter Tradition entführen. Später stellt sich dann raus, dass die Hochzeiten der beiden Väter einst auch nicht gerade mit dem Segen ihrer Familien stattgefunden haben.

Der deutsch-türkische Erzählstrang hingegen entspricht deutlich stärker den bekannten Mustern, was die Darsteller aber wieder wettmachen. Während Korittke den zunehmend genervten Bräutigam Dirk zwar sehenswert, aber ähnlich schluffig anlegt wie den Finanzbeamten Ekki Talkötter in den "Wilsberg"-Krimis des ZDF, ist die Schweizerin Lale Yavas (als Dirks Freundin Özlem) eine echte Entdeckung für den deutschen Film. Dirks unverheiratete Eltern entsprechen zwar dem abgenutzten 68er-Stereotyp, werden von Ingeborg Westphal und Heinrich Schafmeister aber wunderbar ironisch auf den Arm genommen.

Jenseits aller amüsanten Qualitäten beweist Sinan Akkus’ Film vor allem, welch’ großartige Schauspieler mit türkischen Wurzeln es in Deutschland gibt. Rund dreißig Sprechrollen sind mit Migrantenkindern oder -kindeskindern besetzt. Viele von ihnen kennt man aus diversen Kino- oder Fernsehrollen, allerdings nur die Wenigsten auch dem Namen nach. Ganz abgesehen vom heiteren Brückenbau zwischen den Kulturen könnte Akkus’ Film also auch einen gewissen Karriereschub bedeuten. Und dass die Einwanderer in solch einem Film Türkisch sprechen dürfen, versteht sich von selbst, zumal selbst die Untertitel noch Anlass zu Heiterkeit bieten, wenn beispielsweise Özlems Eltern von ihrer Tochter wissen wollen, warum sich die Eltern ihres Verlobten so seltsam aufführen.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).