Aufruf zu Verhandlungen und Geschlossenheit in Libyen
Führende Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland haben sich zur Libyen-Politik Europas und der USA geäußert. Erzbischof Reinhard Marx sagte, der Westen sei für Frieden, Sicherheit und Menschenrechte verantwortlich. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche (EKD) Nikolaus Schneider kritisierte die Raketenangriffe.

Schneider forderte die Bundesregierung auf, im Libyen-Konflikt eine führende diplomatische Rolle einzunehmen. "Deutschland muss alles dafür tun, dass die internationale Gemeinschaft mit Gaddafi verhandeln kann", sagte Schneider dem "Hamburger Abendblatt" (Oster-Ausgabe). Die EU brauche hier dringend eine stimmige Politik.

Schneider kritisierte die bisherige Rolle der Europäer: "Erst macht Europa Geschäfte mit Gaddafi und sorgt dafür, dass er die Flüchtlinge aus Afrika von uns fernhält. Und auf einmal jagt Europa Raketen nach Libyen. Das kann ich beim besten Willen nicht verstehen."

Zugleich machte der Präses der rheinischen Kirche deutlich, dass er die deutsche Zurückhaltung beim Militäreinsatz für richtig hält. "Wenn man in so ein Land reingeht, muss man vorher wissen, wann und wie man wieder rausgeht". In Libyen sei das kaum zu beantworten, sagte Schneider.

Kardinal Marx: Angst vor Flüchtlingen ist "erbärmlich"

Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, hat der Bundesregierung in der Libyen-Politik zur Geschlossenheit mit den westlichen Verbündeten geraten. Auf die Frage, ob die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat zum Militäreinsatz falsch war, antwortete er in der "Passauer Neuen Presse" (Samstag): "Ich habe großes Verständnis dafür, dass die internationale Gemeinschaft eingegriffen hat, um die Gewalt des Diktators Gaddafi gegen die eigene Bevölkerung zu stoppen."

"Deutschland sollte trotz aller Zweifel mit dafür sorgen, dass der Westen geschlossen bleibt und seiner besonderen Verantwortung für Frieden, Sicherheit und Menschenrechte gerecht werden kann." Erzbischof Marx gab zu bedenken: "Wer soll denn in der Welt für diese Ziele eintreten, wenn nicht Europa und Amerika gemeinsam - China wird die Menschenrechte nicht verteidigen! Kriege lösen aber keine Probleme. Gerade für die Situation in Nordafrika braucht es politische Zukunftsperspektiven."

Zugleich rief er zu einer gemeinsamen europäischen Anstrengung auf, um eine menschenwürdige Lösung für die Flüchtlinge aus Libyen und anderen nordafrikanischen Staaten zu finden. "Europa sollte nicht den Eindruck erwecken, dass unsere Antwort auf die doch bewegenden Entwicklungen in Arabien die Angst vor Flüchtlingen ist." Das sei "erbärmlich". 

dpa