Bildungspaket: So sollen die Kinder an ihr Geld kommen
Mit Informationen in mehreren Sprachen und Werbung in Kindergärten und Schulen wollen Bund und Länder dem Bildungspaket zum Erfolg verhelfen. Die umstrittene Frist für rückwirkende Leistungen wird um zwei Monate bis Ende Juni verlängert.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte am Donnerstag nach einem Treffen mit Länder- und Kommunalvertretern in Berlin, bis zum Sommer werde man die meisten Eltern der rund 2,5 Millionen anspruchsberechtigten Kinder erreicht haben. Dann solle eine Zwischenbilanz gezogen werden mit dem Ziel, auch die restlichen Eltern zu erreichen.

Die Kinder müssten jetzt schnell zu ihrem Recht kommen, sagte von der Leyen. Für Lehrer, Erzieher und Behördenmitarbeiter will eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Informationen zusammenstellen. Nur durch Bildung und Teilhabe erhielten die Kinder eine Chance, später auf eigenen Beinen zu stehen, erklärte sie.

Die Kommunalvertreter, die an dem Treffen teilgenommen hatten, zeigten sich zuversichtlich. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte, immer mehr Eltern stellten jetzt ihre Anträge. In einigen Landkreisen seien es bereits 30 Prozent. Die Unkenrufe seien übertrieben. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke, erklärte, nach den Osterferien werde sich die Zahl der Anträge noch einmal deutlich erhöhen.

Kommunen schreiben Briefe

Die Sozialministerin in Mecklenburg-Vorpommern und stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig betonte, die Kommunen könnten und wollten dafür sorgen, dass die kostenlosen Bildungsangebote bei den Kindern ankommen. Die ersten drei Wochen reichten dafür aber nicht.

Bund, Länder und Kommunen vereinbarten von der Leyen zufolge, dass die umstrittene Frist für die rückwirkende Beantragung der Bildungsleistungen bis Ende Juni verlängert wird. Ursprünglich hätten die Anträge bis zum 30. April gestellt werden müssen. Die knappe Zeitspanne war von Sozialverbänden und der Opposition scharf kritisiert worden. Eltern können nun noch zwei Monate länger rückwirkend von Januar an die Erstattung von Ausgaben für Schulmittagessen oder Vereinsbeiträge erhalten.

Ob Haushalte gezielt angeschrieben werden, wird den Kommunen überlassen. Etliche Kommunen hätten solche Schreiben bereits verschickt, sagte von der Leyen. Sie seien sinnvoll, um über die örtlichen Anlaufstellen zu informieren. Einen Brief vom Ministerium zum Bildungspaket werde es nicht geben, da es jetzt um die praktischen Fragen gehe.

Kinderschutzbund: Geld besser an Kitas überweisen

Von der Leyen hatte mit dem Treffen in Berlin auf die breite Kritik am Fehlstart des Bildungspakets reagiert. Nach einer Umfrage von "Spiegel-Online" aus der vorigen Woche hatten in den großen Städten erst zwei Prozent der Hartz-IV-Haushalte die neuen Leistungen beantragt, die Schulmittagessen, Nachhilfestunden und Vereinsbeiträge sowie die Kosten für Wandertage und Klassenfahrten, Schulmaterial und in bestimmten Fällen auch Schülerfahrkarten beinhalten. Sie sollen rückwirkend von Januar an rund 2,5 Millionen Kindern zugutekommen, deren Eltern Hartz-IV-Leistungen, Wohngeld oder den Kinderzuschlag für Geringverdiener beziehen. Das Gesetz war nach monatelangen Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition Ende März in Kraft getreten.

Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, plädierte im Deutschlandradio Kultur dafür, die Kosten für das Mittagessen pauschal an Schulen und Kitas zu überweisen. Das erfordere weniger Aufwand als eine Überweisung an die Eltern. Er kritisierte das Verfahren rund um das Bildungspaket als "unglaublich bürokratisch".

Schneider: "schlechtes Handwerk"

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hat den Umgang der Bundesregierung mit Hartz IV-Empfängern scharf kritisiert. Der neue Regelsatz von 364 Euro sei "eine politische Zahl", die ihn ratlos mache, sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland im Interview mit dem "Hamburger Abendblatt" (Oster-Ausgabe). Die Diakonie habe sehr genau berechnet, was ein Mensch zum Leben brauche. Die Kirche habe 400 Euro als Regelsatz "nicht mal eben so" gefordert.

Schneider warf der Koalition vor, als Berechnungsgrundlage für den Regelsatz "nicht mehr die unteren 20 Prozent, sondern auf einmal die unteren 15 Prozent" angewendet zu haben. "Bei der alten Berechnungsgrundlage wäre ein Plus von 15 Euro herausgekommen", so der EKD-Chef. "Es bedrückt mich, dass die Politik so mit Bedürftigen umgeht." Hartz IV-Empfänger hätten keine Lobby, "sie entscheiden keine Wahlen, und sie sind keine solventen Spender, für die man ganz andere Summen über den Tisch schieben kann". Schneider: "Im Umgang mit den Armen sollten wir einen ganz anderen Anspruch an uns haben."

Der höchste Repräsentant der Protestanten bescheinigte der Bundesregierung "schlechtes Handwerk" bei der Umsetzung des Bildungspakets für die Kinder in Hartz IV-Familien. "Aus unseren Bildungseinrichtungen wissen wir, dass die Antragsunterlagen erst ausgeliefert wurden, als die Diskussion um die Antragszahlen schon im Gange war", kritisierte Schneider. Man brauche Vorläufe für solche Reformen, man müsse eine klare Informationsstrategie verfolgen und die zuständigen Menschen schulen, mahnte er.

Skeptisch äußerte er sich auch zu den Ergebnissen des Runden Tisches zum Bildungspaket am Gründonnerstag. Die Verlängerung der Antragsfrist und die jetzt verabredete bessere Information aller Beteiligten sei notwendig gewesen, um die handwerklichen Fehler auszubügeln. "Aber das hätte von vornherein besser laufen können", sagte Schneider. Zufrieden sei er erst, "wenn das Geld endlich bei den Kindern ankommt und sie die Förderung erhalten, die sie verdienen".

epd