TV-Tipp des Tages: "Tatort: Grabenkämpfe" (ARD)
Die Stuttgarter Wagenhallen, ein alternatives Kulturareal, sollen einer hochwertigen Wohnsiedlung weichen. Doch dann wird der Geschäftsführer der Wagenhallen ermordet.
21.04.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Tatort: Grabenkämpfe", 25. April, 20.15 Uhr im Ersten

Als der SWR im Hochsommer des letzten Jahres diesen "Tatort" produzieren ließ, konnte man noch nicht ahnen, welche Ausmaße der Streit um den Stuttgarter Bahnhof annehmen würde. So grüßt das Thema nur von Ferne. Immerhin ist das umstrittene Bauobjekt im Zentrum der Geschichte ebenfalls authentisch: Im Drehbuch von Stefan Cantz und Jan Hinter sollen die Stuttgarter Wagenhallen, ein alternatives Kulturareal, einer hochwertigen Wohnsiedlung weichen. Als der Geschäftsführer der Wagenhallen ermordet wird, liegt der Gedanke nahe, eine Verbindung zum Projekt herzustellen.

Die Handlung dieses Krimis ist im Grunde weder originell noch mitreißend. Sie gehorcht dem üblichen Schema, diverse Verdächtige zu präsentieren, darunter auch den Kompagnon (Guntbert Warns) des Opfers, um sich schließlich für eine Figur zu entscheiden, die man als Zuschauer bis dahin allenfalls nur deshalb auf der Rechnung hatte, weil sie so unverdächtig ist. Wenn "Grabenkämpfe" trotzdem fesselt, liegt das zum Einen natürlich an der Routine des bewährten Autorenduos, das dank einer Vielzahl von Sonntagskrimis weiß, wie man auch vermeintlich einfache Geschichten ansprechend, unterhaltsam und fesselnd verpackt. Zum Anderen hat auch Regisseur Zoltan Spirandelli seinen Anteil daran, dass man die Ermittlungen der Kommissare Lannert und Bootz (Richy Müller, Felix Klare) mit angemessener Aufmerksamkeit verfolgt. Letztlich aber sind es die vielen kleinen Ereignisse, die die Qualität des Films ausmachen, und die sind allesamt mit Figuren verknüpft.

Viele Verdächtige

Rüdiger Vogler zum Beispiel gelingt eine wunderbare Ausgabe eines schwäbischen "Bruttlers". Verdächtig macht den Bauunternehmer Rühle allerdings nicht seine ständige schlechte Laune, sondern sein handfestes Interessen an den Wagenhallen: Für den Baulöwen wäre ein geplanter Wohnpark das letzte große Projekt. Sein Alibi ist zwar attraktiv, aber haltlos; und ein Motiv hätte Rühle allemal. Nicht minder interessant ist sein Hausjurist Doll (Hans Löw), der von dem Alten wie ein Leibeigener gehalten wird. Dass die beiden eine ganz besondere Beziehung verbindet, ist nur eine der diversen Überraschungen, die sich Hinter und Cantz für die zweite Hälfte der Handlung aufgehoben haben. Gemessen daran ist die Hauptverdächtige Nummer zwei, die nun verwitwete Kickbox-Queen (Jasmin Gerat), eine doch eher unoriginelle Figur.

Und dann ist da ja noch die Aufmerksamkeit, die ein eifriger Museumskurator (Arnd Klawitter) Lannert zuteil werden lässt; der Kommissar weiß zunächst gar nicht, wie ihm geschieht. Gerade in diesen Szenen ist der Krimi immer wieder komödiantisch; Cantz und Hinter sind schließlich die Schöpfer des "Tatort"-Duos aus Münster, dessen Abenteuer regelmäßig haarscharf an der Parodie entlangschrammen.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).