TV-Tipp des Tages: "Nord Nord Mord" (ZDF)
Zwanzig Jahre nach ihrem Verschwinden wird eine Frau unter dem Dünensand aufgefunden. Kurz drauf wird ein Bauunternehmer nach alter Sitte aufs Rad geflochten und hingerichtet.
21.04.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Nord Nord Mord", 21. April, 20.15 Uhr im Zweiten

Wer auch immer beim ZDF die Idee hatte, die inflationär bespielte Krimilandschaft um Geschichten aus der Provinz zu ergänzen, hat einen eigenen Preis verdient. Der Provinzkrimi bildet längst ein eigenes Genre, und wenn sie auch noch komödiantisch angehaucht sind, sind die Filme fast immer ein doppeltes Vergnügen. "Nord Nord Mord", dessen Ensemble sich wärmstens für ein Wiedersehen empfiehlt, macht da keine Ausnahme. Das gilt vor allem für die jugendliche Verstärkung, die sich Autor Lars Albaum für den altgedienten Hauptkommissar Clüver (Robert Atzorn) ausgedacht hat. Der Haudegen versieht seinen Dienst auf einer beschaulichen Nordseeinsel (gedreht wurde auf Sylt).

Die Kriminalitätsrate dürfte ähnlich niedrig sein wie etwa in der Eifel, aber ein schöner Ausblick schützt schließlich nicht vor Mord; selbst wenn die erste Leiche schon Jahrzehnte unterm Dünensand verborgen war. Es handelt sich um eine damals junge Frau, die vor zwanzig Jahren spurlos verschwunden ist. Kurz drauf wird ein Bauunternehmer nach alter Sitte aufs Rad geflochten und hingerichtet. Der Mann war früher Schlagzeuger in der Rock-Band "Küstenpiraten", die anlässlich des bevorstehenden Miesmuscheltages am Comeback arbeitet. Als ein weiterer Musiker entführt wird, ahnt Clüver, dass die "Küstenpiraten" etwas mit dem Tod der jungen Frau zu tun haben müssen.

Mindestens so reizvoll wie die Geschichte sind die unzähligern Einfälle, mit denen Albaum die Handlung ausschmückt. Das beginnt schon mit der Ankunft von Hinnerk Feldmann, den Oliver Wnuk ganz wunderbar verkörpert. Der zunächst etwas schnöselig wirkende neue Kollege von der Ostsee bildet sich eine Menge darauf ein, an einem Fortbildungsseminar in Chicago teilgenommen zu haben, und hält die Insulaner allesamt für Hinterwäldler. Mit Ausnahme von Mitarbeiterin Ina (Julia Brendler), deren dementer Vater aus Angst vor einer Rückkehr der Sturmflut aus dem Jahr ’62 immer wieder Sandsäcke aufstapelt: Die herbe Ina hat es dem sympathisch unbeholfen flirtenden Hinnerk sichtlich angetan.

Überhaupt hat der Autor sein Personal mit viel Liebe erschaffen. Clüvers Gattin (Ulrike Grote) zum Beispiel ist seit einer Indien-Reise voll auf dem Ayurveda-Trip und nervt den Kommissar mit Yogi-Tee und Mango-Lassi. Andere Figuren haben bloß kurze, aber dennoch markante Auftritte. Hannes Hellmann spielt als recht bald toter Musiker nur eine Gastrolle. Die weiteren "Küstenpiraten" sind mit Ingo Naujoks und Martin Brambach ähnlich prominent besetzt; Brambach entpuppt sich zudem als großartiger Sänger von Hits der Rolling Stones. Und dann ist da noch das Liebespaar, das schließlich entnervt abreist, weil es im Turtelvergnügen fortwährend immer mitten ins Verbrechen stolpert. Das Finale hätte Regisseur Josh Broecker allerdings deutlich dramatischer inszenieren können.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).