Kulturkampf um Karfreitag: Ist Tanzen des Teufels?
"Tanzverbot" - ein Wort, das Musik ist in den Ohren von Leuten, die den Kulturkampf lieben. Kurz vor Karfreitag keimt eine Debatte um seinen Schutz auf. Ist der "stille Feiertag" noch sinnvoll?
20.04.2011
Von Gregor Tholl

Tanzverbot? Wo gibt's denn sowas? Antwort: in Deutschland! Doch diese regional unterschiedliche Gesetzeslage an gewissen "stillen Feiertagen" wie Karfreitag, Allerheiligen oder Totensonntag ist vielen Leuten nicht bewusst und wirkt auf sie wie ein Überbleibsel aus einem Land ohne Spaß.

"Der Taliban lässt grüßen", polterte der Frankfurter Gastronom Ralf Scheffler vom Kulturzentrum Batschkapp kürzlich in einer Mitteilung: "Tanzverbot, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Solche Maßregelungen erwartet man heutzutage zu Recht nur noch in den Herrschaftsbereichen der Steinzeit-Islamisten."

Was war geschehen? Die Stadt Frankfurt hatte Mahnschreiben an Disco-Besitzer verschickt, weil Bürger gepetzt hatten, dass dort Veranstaltungen geplant seien, die möglicherweise verboten gehörten. Nach einem Landesgesetz von 1952 darf in Hessen am Karfreitag sowie den Osterfeiertagen von jeweils 4 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags nicht öffentlich getanzt werden.

Kontroverse quer durch die politische Landschaft

Das finden jetzt auch die Grünen falsch, obwohl sie das Gesetz während ihrer Regierungszeit in Hessen unverändert ließen. Die Landtagsabgeordnete Sarah Sorge findet das Verbot "nicht zeitgemäß". Die Jugendorganisation der hessischen Grünen rief für Freitag zu einem "Flashmob" in Frankfurt auf, also zu einem über Handy und E-Mails organisierten Protestauflauf. Auch die Jungen Liberalen sagen: "Niemand wird in seiner Glaubensausübung gehindert, wenn Menschen andernorts feiern."

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Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) sieht das anders: Hessen sei ein "christlich-abendländisch geprägtes" Land. Daher sei es "richtig und wichtig, dass es an den höchsten christlichen Feiertagen des Jahres nicht "Rambazamba rund um die Uhr" gebe.

Auch im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen gab es eine Diskussion: Ein Verbot von Unterhaltungsveranstaltungen an kirchlichen Feiertagen passe nicht mehr in die Zeit, sagte Grünen-Landeschef Sven Lehmann der "Rheinischen Post". Doch dem Motto "Wer gackert, muss auch ein Ei legen", das zu Ostern passen würde, will er dann doch nicht folgen.

EKD-Ratsvorsitzender Schneider gegen mehr Werktage

Der Nachrichtenagentur dpa erläuterte Lehmann, die rot-grüne Regierung plane keine Änderung des Feiertagsgesetzes im Land. Die Grünen wollten aber eine Debatte anstoßen. Christen dürften den Anderen nicht vorschreiben, wie sie den Tag verbringen. "Unsere Gesellschaft ist nicht nur christlich geprägt, sondern vielseitig - auch jüdisch, muslimisch und säkular." Grün-gelbe Koalition: Die NRW-FDP teilte mit, sie sei offen "für moderate Veränderungen am Feiertagsgesetz".

Die Kirchen, seit Jahren auf einem Rückzugsgefecht, wollen selbstverständlich ihre Bastion nicht aufgeben: "Wer die Aufhebung der besonderen Feiertagsruhe am Karfreitag propagiert, fordert nichts Anderes als mehr Werktage", sagte Nikolaus Schneider, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Auslöser der NRW-Debatte waren umstrittene Aufführungen an einigen Bühnen, die für Karfreitag geplant gewesen waren. Nach einem Hinweis der Bezirksregierung verlegte zum Beispiel das Essener Aalto-Theater die Premiere einer Puccini-Oper auf Gründonnerstag vor.

Für Spaß an anderen Tagen "ausreichend Gelegenheit"

Auch wenn in jedem Bundesland die Lage anders und die Praxis zum Beispiel in Berlin besonders liberal ist - Hasser der partywütigen Hauptstadt würden es wohl verwahrlost nennen -, äußerte sich auch Maria Flachsbarth. Die Beauftragte der Unions-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften sagte, der Verzicht auf öffentliche Sportveranstaltungen, Tanz oder Theater sei an Karfreitag richtig. "Für solche Veranstaltungen gibt es in unserer Gesellschaft nun wirklich ausreichend Gelegenheit." Der Karfreitag sei ein Tag der Stille und der Besinnung, der allen Menschen zugutekomme.

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Stephan Büttner, der Geschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Discotheken- und Tanzbetriebe (BDT im Dehoga-Bundesverband) glaubt das nicht. Er sieht stark veränderte Bedürfnisse in der Gesellschaft. Viele Menschen fragten am Vorabend und in den frühen Morgenstunden eines Feiertages Gastronomie, Musik und Tanz nach. Verbote sind deshalb für ihn "antiquierte Relikte aus vergangenen Zeiten".

Bühnenverein kritisiert Unterhaltungsverbot

Auch der Deutsche Bühnenverein hat das Unterhaltungsverbot für Theater am Karfreitag in Nordrhein-Westfalen und anderen Bundesländern scharf kritisiert. Weder das Fernsehen noch die meisten Radioprogramme nähmen besondere Rücksicht auf den christlichen Anlass des Karfreitags, hieß es am Mittwoch in einer Mitteilung des Bühnenvereins.

Im Privatfernsehen würden überwiegend Unterhaltungs- und Actionfilme gesendet, die öffentlich-rechtlichen Sender zeigten "ihr übliches Programm mit Krimis, Dokumentationen, Filmen und Talkshows". Dabei erreichten Fernsehen und Radio ein Millionen-Publikum, während eine Theateraufführung auf das Publikum im Saal beschränkt sei.

Besonders in Düsseldorf hatte es eine heftige Debatte um das Unterhaltungsverbot für Theater gegeben. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte die Aufsichtsbehörden angewiesen, dafür zu sorgen, dass am Karfreitag keine verbotenen Veranstaltungen stattfinden.

Komödie vom Spielplan gestrichen

Der Chef des "Theaters an der Kö", René Heinersdorff, hatte schließlich die geplante Aufführung der Komödie "Der lustige Witwer" abgesagt. Andere Stücke wie ein neues Werk von Juli Zeh am Düsseldorfer Schauspielhaus dürfen aber aufgeführt werden. In Essen war wegen der strengen Gesetzesvorgaben bereits die Puccini-Oper "Madame Butterfly" auf den Gründonnerstag vorverlegt worden. In Köln hatten die Aufsichtsbehörden grünes Licht für Wagners "Parsifal" gegeben.

"Will man Ernst machen mit der christlichen Tradition des Karfreitags, muss man zu einer einheitlichen Lösung kommen, die für Radio und Fernsehen genauso gilt wie für alle öffentlichen Veranstaltungen", fordert der Bühnenverein. "Dem wird sich auch kein Theater entziehen wollen." Die NRW-Grünen hatten das Verbot leichter Unterhaltung am Karfreitag als nicht mehr zeitgemäß kritisiert. Allerdings plant die rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen derzeit nicht, das Feiertagsgesetz des Landes zu ändern.

dpa