Ostermärsche gehen 2011 von Fukushima bis Libyen
Das Thema stand schon vor Fukushima fest: Ein Vierteljahrhundert nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ist der Protest gegen die Atomkraft-Nutzung in diesem Jahr auch Hauptthema der Ostermärsche.
19.04.2011
Von Dieter Junker

Die dramatischen Ereignisse im japanischen Kernkraftwerk Fukushima verleihen den langfristig geplanten Aktionen eine traurige Aktualität. Der langjährige Ostermarschierer und evangelische Pfarrer Matthias Engelke spricht vielen aus der Seele, wenn er die Hoffnung formuliert, "dass Friedensbewegung und Kernkraftgegner künftig Hand in Hand protestieren".

Die Friedensbewegung mit ihrer mehr als 50-jährigen Tradition der Ostermärsche gegen Rüstung und Atomwaffen hat für Ostermontag (25. April) zu bundesweiten Anti-Atom-Kundgebungen aufgerufen. Anlass war ursprünglich der 25. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe vom 26. April 1986. Proteste sind unter anderem an der einzigen deutschen Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau, vor dem AKW Biblis und am Fliegerhorst Büchel im rheinland-pfälzischen Landkreis Cochem-Zell geplant - dem vermuteten einzigen Atomwaffen-Standort in Deutschland.

Proteste wohl vor allem an den Atomkraftwerken

In den vergangenen Jahren war die Ostermarschbewegung, die in den friedensbewegten 1980er Jahren Hunderttausende auf die Straße brachte, schwächer geworden. Ob die Ereignisse in diesem Jahr für neuen Zulauf sorgen, darüber mag niemand aus der Friedensbewegung spekulieren.

"Es könnte sein, dass viele Demonstranten lieber direkt an die AKW-Standorte gehen", vermutet Regina Hagen aus Darmstadt. Die Koordinatorin der Kampagne "Unsere Zukunft - atomwaffenfrei", in der rund 50 Friedensgruppen mitarbeiten, wird selbst an Ostern auf der Demonstration in Biblis sprechen. Sie plädiert dafür, in der Diskussion um die Kernenergie auch die Frage nach den Atomwaffen wieder neu zu stellen.

Roland Blach, baden-württembergischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), hofft auf stärkeren Zulauf, setzt aber auch auf eine Zusammenarbeit von Friedensgruppen und Kernkraftgegnern. "Unser Ziel ist es, Atomwaffen und Atomenergie gemeinsam abzuschaffen", sagt er.

Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?

Xanthe Hall aus Berlin, Abrüstungsreferentin der atomkritischen Ärztevereinigung IPPNW, bezeichnet Atomwaffen und Kernenergie als zwei Seiten einer Medaille. Atomwaffen gehörten zu der nuklearen Kette, "die militärische Komponente ist immer mit dabei", betont Hall.

Nach der Atomkatastrophe in Japan plädiert auch Marion Küpker von der "Gewaltfreien Aktion Atomwaffen abschaffen" in Hamburg für gemeinsame Aktionen und eine längerfristige Zusammenarbeit. "Es ist wichtig und sinnvoll, dass wir dies hinbekommen", sagt sie. Die Gruppierung gehört seit 15 Jahren zu den Initiatoren der Proteste vor dem Fliegerhorst Büchel. Dort findet in diesem Jahr am Ostermontag zum zweiten Mal ein Ostermarsch statt.

Für Elke Koller vom "Initiativkreis gegen Atomwaffen", die derzeit vor dem Verwaltungsgericht in Köln auf einen Atomwaffenabzug klagt, liegt die innere Verbindung von Friedensbewegten und Atomkraftgegnern auf der Hand: "Alle, die eine Welt ohne Atomwaffen wollen, müssen auch den Ausstieg aus der Kernenergie verlangen."

Rund 80 Veranstaltungen im ganzen Land

Bundesweit sind nach Angaben des Netzwerks Friedenskooperative von Gründonnerstag bis Ostermontag rund 80 Veranstaltungen vorgesehen. Die größten Demonstrationen werden für den Ostermontag, da sich einen Tag später das Unglück von Tschernobyl zum 25. Mal jährt.

In Nordrhein-Westfalen startet am Samstag wieder der Ostermarsch Ruhr, der durch verschiedene Städte des Ruhrgebiets führt. Zentraler Protest-Ort in NRW ist das Gelände der Uran-Anreicherungsanlage im westfälischen Gronau, wo am Ostermontag mehrere tausend Teilnehmer erwartet werden. Auch am Zwischenlager Lubmin bei Greifswald und am geplanten Endlager Schacht Konrad in Salzgitter wollen Atomkraftgegner demonstrieren.

Über das Thema AKW-Ausstieg hinaus werde auch das NATO-Militär-Engagements in Libyen eine Rolle spielen, erklärten die Veranstalter der Ostermärsche. Sie fordern: "Kein Krieg für Öl - Stoppt die völkerrechtswidrige Aggression in Libyen".

epd