Zahlungsstopp gefordert: EKD kritisiert Humanistische Union
Die Humanistische Union hat errechnet, dass die beiden großen Kirchen in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg Staatsleistungen in Milliardenhöhe erhielt und fordert einen Zahlungsstopp - sehr zum Ärger unter anderem von Thomas Begrich, Finanzchef der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben nach Berechnungen der Humanistischen Union seit 1949 Staatsleistungen in Höhe von knapp 14 Milliarden Euro bekommen. Pro Jahr erhielten die evangelische und katholische Kirche von den Bundesländern derzeit rund 460 Millionen Euro, teilte die Humanistische Union am Montag in Berlin mit. Sie legte zugleich einen Gesetzentwurf vor, in dem alle Ansprüche auf Staatsleistungen für abgelöst erklärt werden sollen.

Die Forderung nach einem "Zahlungsstopp" klinge "wie ein Aufruf zum Rechtsbruch", sagte der Finanzchef der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Thomas Begrich, in einer ersten Reaktion. "Die Staatsleistungen sind verfassungskonform und in allen Bundesländern gesetzlich geregelt." Die katholische Deutsche Bischofskonferenz wollte sich erst nach Prüfung der von der Humanistischen Union vorgelegten Zahlen äußern.

Keine Leistungen für die Kirchen im Norden

Unter Staatsleistungen sind Zuwendungen zu verstehen, die auf die Überführung kirchlichen Eigentums in staatlichen Besitz Anfang des 19. Jahrhunderts zurückgehen. Hierin unberücksichtigt sind Zuschüsse für Schulen, Kindergärten, Sozialarbeit oder Entwicklungshilfe. Auch die Ausgaben für Religionsunterricht, Militär- und Gefängnisseelsorger und Sanierung von kirchlichen Gebäuden sind darin nicht enthalten. Daher machen Staatsleistungen nach Berechnung der Humanistischen Union lediglich zwei bis fünf Prozent der gesamten kirchlichen Einnahmen aus.

Nach der Statistik der 1961 gegründeten Organisation, die nicht mit dem Humanistischen Verband zu verwechseln ist und die von mehreren prominenten Politikern und Juristen unterstützt wird, gibt es bei den Staatsleistungen zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Demnach leisteten 2010 Rheinland-Pfalz mit über zwölf Euro die höchste Staatsleistung pro Einwohner, gefolgt von Sachsen-Anhalt. Im Saarland seien es dagegen nur 69 Cent gewesen. In Hamburg und Bremen bekommen die Kirchen keinerlei Staatsleistungen.

Zunahme der Mittel um 60 Prozent

Trotz Mitgliederrückgangs hätte sich bei den Staatsleistungen in den vergangenen 20 Jahren ein Zuwachs von knapp 60 Prozent ergeben, hieß es seitens der Humanistischen Union weiter. Die Evangelische Kirche habe insgesamt 7,5 Milliarden Euro bekommen, die Katholische Kirche 6,4 Milliarden Euro. Die DDR habe in den 40 Jahren ihres Bestehens insgesamt etwa 630 Millionen DDR-Mark an die Kirchen gezahlt.

Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 enthält in Artikel 138 Absatz 1, der auch Bestandteil des seit 1949 geltenden Grundgesetzes ist, die Forderung nach Ablösung der Staatsleistungen. Bisher sei dies damit abgelehnt worden, dass der Staat nicht in der Lage sei, die für eine Ablösung fälligen Entschädigungen zu zahlen, erklärte die Humanistische Union.

Eine Ablösung für die Bundesländer sei nicht einfach, weil die Leistungen finanziell ausgeglichen werden müssten, sagte demgegenüber EKD-Finanzchef Begrich. "Bislang schien es staatlicherseits kostengünstiger zu sein, regelmäßig zu zahlen, als eine einmalige Ablösung vorzunehmen." Ähnlich sieht es der Leiter des Kirchenrechtlichen Institutes der EKD, Hans Michael Heinig. "Der Staat würde durch die Ablösung nicht sparen, sondern diese käme ihn erst einmal teuer zu stehen", sagte er dem Monatsmagazin "zeitzeichen" (April-Ausgabe).

Auf der Suche nach Klägern

Begrich betonte, die Umsetzung der Ablösung als Verfassungsgebot sei eine politische Entscheidung. "Ein Zahlungsstopp wäre dagegen eine Aussetzung eines Verfassungsgebotes." Diese Forderung sei schwer nachzuvollziehen. Gleichzeitig sagte er: "Einer Ablösung stehen die Kirchen nicht im Wege."

Mitglieder im Beirat der Humanistischen Union sind unter anderem Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Grünen-Chefin Claudia Roth, die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag Renate Künast sowie die frühere Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD).

Bislang sei nicht erkennbar, dass etwa eine Fraktion aus dem Bundestag oder den Landtagen ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wegen Verletzung des im Grundgesetz verankerten Ablösungsgebots anstrengt, erklärte die Organisation. "Kläger zu finden ist hier nicht leicht", sagte das Vorstandsmitglied Johann-Albrecht Haupt. Selbst zu parlamentarischen Anfragen etwa zur Höhe der Staatsleistungen sei es bislang nicht gekommen.

epd