Gaddafi setzt laut Menschenrechtlern Streumunition ein
Libyens Herrscher Muammar Gaddafi setzt Berichten zufolge international geächtete Munition in der Nähe von Wohngebieten ein. Die USA, Großbritannien und Frankreich fordern weiter den Abgang des Diktators. Russland sieht das nicht vom UN-Mandat gedeckt.

Die Truppen des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi setzen nach Angaben von Menschenrechtlern die weltweit geächtete Streumunition in der Nähe von Wohngebieten ein. Der Westen macht den Rückzug Gaddafis zur Bedingung für ein Ende der Militäroperation. Russland warnte, diese Forderung gehe über das UN-Mandat für den Libyeneinsatz hinaus.

In der Nacht zum Donnerstag seien mindestens drei Granaten mit Streumunition über der umkämpften Stadt Misurata explodiert, berichtete Human Rights Watch am Freitag (Ortszeit) in New York. Experten hätten die von einem "New York Times"-Reporter entdeckte Munition begutachtet und als Mörsergranaten aus spanischer Produktion identifiziert.

Streumunition sind Bomben oder Granaten, die sich über dem Gefechtsfeld öffnen und zahlreiche kleinere Sprengsätze niederregnen lassen. US-Außenministerin Hillary Clinton verurteilte in der "New York Times" den Einsatz der Streumunition. "Ein Grund, warum der Kampf in Misurata so schwierig ist, ist, dass es auf so engem Raum bebaut ist. Alles spielt sich in den Wohngebieten ab und das macht es für die Nato und für die Kämpfer gegen Gaddafi so kompliziert." Sie hatte noch nicht vom Einsatz der Streumunition gewusst. "Aber bei Oberst Gaddafi und seinen Leuten wundert mich nichts mehr."

Obama, Sarkozy, Cameron: "Gaddafi muss weg"

Der Diktator müsse "weg und zwar für immer", schrieben US-Präsident Barack Obama, der britische Premier David Cameron und der französische Staatschef Nicolas Sarkozy in einem gemeinsamen Zeitungsbeitrag. "Solange Gaddafi an der Macht ist, müssen die Nato und ihre Koalitionspartner ihre Operationen weiterführen, so dass Zivilisten geschützt bleiben und Druck auf das Regime aufgebaut wird", schreiben Obama, Sarkozy und Cameron in dem Beitrag für die britische "Times", den französischen "Figaro" und die "International Herald Tribune" (Freitag). Gaddafi ließ sich derweil in Tripolis feiern. Das Staatsfernsehen zeigte, wie er mit Schlapphut und Sonnenbrille in einem Autokonvoi durch die Straßen fuhr.

Obama, Sarkozy und Cameron betonten weiter, de Welt würde sich eines "skrupellosen Verrats" schuldig machen, würde Gaddafi an der Macht bleiben. Auch eine Waffenruhe mit einem Ausstiegsszenario für Gaddafi, das Mitglieder seiner Familie in Libyen an der Macht belasse, sei nicht akzeptabel. "Es ist undenkbar, dass jemand, der sein eigenes Volk massakrieren wollte, eine Rolle in einer künftigen Regierung spielt." Damit der Übergang funktioniere, "muss Gaddafi weg, und zwar für immer".

Der russische Außenminister Sergej Lawrow kritisierte, die Forderung nach einem Rücktritt Gaddafis gehe über das UN-Mandat hinaus. "Der UN-Sicherheitsrat hat keinerlei Handlungen zum Zweck der Veränderung des Regimes in Libyen erlaubt", warnte Lawrow in Berlin. "Ich habe unsere Partner in der Nato aufgefordert, sich strikt und verantwortungsvoll an das Mandat des UN-Sicherheitsrates zu halten."

Westerwelle: "Saktionen zeigen Wirkung"

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen begrüßte dagegen den Vorstoß Obamas, Sarkozys und Camerons. "Ich denke, dieser Artikel spiegelt die Einigkeit im Ziel und in der Entschlossenheit der Verbündeten wider", sagte Rasmussen zum Abschluss eines Treffens der Nato-Außenminister in Berlin. "Die Nato ist absolut entschlossen, ihren Einsatz so lange fortzusetzen, wie es eine Bedrohung der libyschen Zivilbevölkerung gibt", sagte Rasmussen. "Und es ist unmöglich, sich vorzustellen, dass diese Bedrohung mit Gaddafi an der Macht verschwindet."

Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderte, den Druck auf Gaddafi mit Sanktionen aufrechtzuerhalten. Aus deutscher Sicht zeigten die Sanktionen "mehr und mehr Wirkung", sagte Westerwelle beim Nato-Treffen. Wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen das eigene Volk hat die Staatengemeinschaft eine Reihe von Strafmaßnahmen gegen das Gaddafi-Regime verhängt. Dazu gehören ein weitreichendes Öl- und Gas-Embargo sowie das Einfrieren von Auslandskonten des libyschen Staatsapparats. Westerwelle sagte: "Es ist entscheidend, dass dem Diktator der Geldhahn zugedreht wird, damit er seinen Krieg gegen das eigene Volk nicht finanzieren kann."

Der Nachrichtensender Al-Arabija berichtete unter Berufung auf Augenzeugen von Angriffen der Truppen Gaddafis auf die Stadt Jafran südwestlich von Tripolis. Auf einer Website der Aufständischen hieß es, die Rebellen und die Zivilbevölkerung der seit Wochen belagerten Stadt Misurata hätten am Donnerstag den ganzen Tag Angriffe der Truppen Gaddafis ertragen müssen. Es sei ihnen aber gelungen, ein Eindringen der Truppen ins Stadtzentrum zu verhindern.

dpa