Afghanistan eint Nato und Russland wieder
Es ist keine leidenschaftliche Liebe - aber die Nato und Russland kommen wieder gut miteinander aus. Libyen ändert nichts daran. Russlands Chefdiplomat Sergej Lawrow zeigte sich bei der Nato in Berlin von seiner eher freundlichen Seite.

Die Nato und Russland arbeiten wieder eng zusammen. Trotz Differenzen über den Libyen-Einsatz erklärte sich Moskau zu neuen Gesprächen über eine Raketenabwehr in Europa bereit. Dies sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Freitag in Berlin nach Beratungen mit seinen Nato-Kollegen. In Afghanistan beteiligt sich Russland gemeinsam mit der Nato an einem gemeinsamen Programm, mit dem russische Hubschrauber der afghanischen Streitkräfte wieder flottgemacht werden sollen.

Kooperation auch der Raketenabwehrsysteme

Damit nimmt eine neue Zusammenarbeit zwischen der Nato und Russland Gestalt an. Sie war im November 2010 von beiden Seiten in Lissabon beschlossen worden, nachdem die Nato im August 2008 die Kontakte wegen des Georgien-Kriegs auf Eis gelegt hatte.

"Ich bin froh darüber, dass der Nato-Russland-Rat in einem guten Zustand ist", sagte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen. Zwar gab es in der Frage der Raketenabwehr noch keine Einigung. Rasmussen sprach jedoch von einem "sehr konstruktiven Dialog": "Wir sind uns über die Architektur der Abwehr noch nicht einig. Aber wir haben das gemeinsame Ziel, die Bevölkerung Russlands und der Nato-Staaten vor einer wirklichen Bedrohung durch Raketen zu schützen."

Die Nato plädiert laut Rasmussen für zwei getrennte, aber eng miteinander verbundene Radar- und Raketenabwehrsysteme. Russland möchte hingegen eine gemeinsame Entscheidung für den Fall eines Einsatzes.

Gemeinsamer Hubschrauber-Fonds

"Die Raketenabwehr sollte nicht zu neuen Gefahren für die strategische Stabilität führen", sagte Lawrow. Bereits im Juni sollten sich die Verteidigungsminister beider Seiten mit den Ergebnissen von Expertenstudien befassen. "Im ersten Stadium müssen wir uns die Bedrohungsanalysen und die Architektur eines möglichen künftigen europäischen Systems anschauen. Und dann müssen die Militärs und die Techniker über verschiedene Parameter beraten."

Der gemeinsame Hubschrauber-Fonds für Afghanistan ist mit acht Millionen Dollar (5,5 Millionen Euro) dotiert. Deutschland, das sich mit 3 Millionen Dollar beteiligt, übernimmt die Führungsrolle, Russland gibt sogar 3,5 Millionen Dollar. Auch Dänemark, Luxemburg und die Türkei sind dabei. Mit dem Geld sollen Techniker ausgebildet werden, damit 56 afghanische Hubschrauber der russischen Typen Mi-17 und Mi-35 wieder fliegen können.

Die Helikopter sind wegen ihrer einfachen und robusten Konstruktion für das Land besonders gut geeignet. Außerdem haben die USA noch weitere 21 russische Helikopter für insgesamt 370 Millionen Dollar hinzugekauft. "Dies ist ein greifbarer Beweis dafür, dass Zusammenarbeit wirkliche Sicherheitsvorteile bringt", sagte Rasmussen in Berlin.

Mandat des UN-Sicherheitsrats "verbindlich"

Auch im Nato-Russland-Rat sorgte die Libyen-Krise für Diskussionen. Lawrow lobte, dass Rasmussen einen Einsatz von Bodentruppen ebenso wenig für vereinbar mit dem Mandat des UN-Sicherheitsrates hält wie Waffenlieferungen an die Rebellen. Zugleich warnte er die Nato jedoch vor einer "exzessiven Interpretation" des UN-Mandats. "Der UN-Sicherheitsrat hat keinerlei Handlungen zum Zweck der Veränderung des Regimes in Libyen erlaubt", sagte er. "Ich habe unsere Partner in der Nato aufgefordert, sich strikt und verantwortungsvoll an das Mandat des UN-Sicherheitsrates zu halten."

Rasmussen versicherte, die Nato halte sich strikt an das Mandat des Sicherheitsrates. "Die Nato ist absolut entschlossen, ihren Einsatz so lange fortzusetzen, wie es eine Bedrohung der libyschen Zivilbevölkerung gibt", sagte der Generalsekretär des Bündnisses. "Und es ist unmöglich, sich vorzustellen, dass diese Bedrohung mit Gaddafi an der Macht verschwindet."

Zuvor hatte die Nato gemeinsam mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton beschlossen, erstmals eine gemeinsame Sitzung der Botschafter der 28 Nato-Staaten und der 27 EU-Länder zum Libyen-Konflikt zu organisieren. Ein solches Treffen war bisher wegen wechselseitiger Blockaden der Türkei und Zyperns nicht zustande gekommen.

dpa