"Die Bundesgartenschau ist ein Gegen-Bild"
Zur Eröffnung der Bundesgartenschau an diesem Freitag in Koblenz predigte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider. evangelisch.de dokumentiert hier den Text seiner Predigt.
15.04.2011
Von Nikolaus Schneider

 

Predigt
über Offenbarung 21,1 – 5a
von
Präses Nikolaus Schneider
im Ökumenischen Gottesdienst

anlässlich der Eröffnung der Bundesgartenschau in Koblenz
am Freitag, 15. April 2011, 10.15 Uhr
in der Basilika St. Kastor

Dann sah ich einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, auch das Meer ist nicht mehr. Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; sie war bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat. Da hörte ich eine laute Stimme vom Thron her rufen: Seht, die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen. Er, der auf dem Thron saß, sprach: Seht, ich mache alles neu. (Offenbarung 21, 1 – 5 a)

Liebe Schwestern und Brüder!

In uns Menschen steckt eine tiefe Hoffnung: Nichts soll so bleiben, wie es ist. Diese Hoffnung gehört grundlegend zu unserem christlichen Glauben. "Kehrt um und glaubt an das Evangelium". Mit diesem Programmatischen Satz beginnt Jesu öffentliche Wirksamkeit nach dem Markusevangelium. Veränderung, Umkehr, Neuwerdung ist möglich!

Die Bilder einer Welt, die in Unordnung geraten ist, machen auch heute deutlich, dass diese Hoffnung notwendig ist. Was ist aus Gottes guter Schöpfung vom Anfang geworden? Wo hören wir noch die Worte aus der biblischen Schöpfungsgeschichte: "Und siehe, es war sehr gut!"?

Bilder einer Welt in Unordnung

Heute sehen wir die Bilder aus Japan: zerstörte Häuser und Landschaften, die einmal Zuhause und Heimat für viele Tausend Menschen waren. Zerstört in wenigen Sekunden durch Erdbeben und Tsunami. Wir sehen die Bilder eines zerstörten Atomkraftwerkes und auf einmal ist uns wieder die Selbstgefährdung einer von Menschen gemachten Technologie vor Augen.

Wir sehen die Bilder aus Libyen und der Elfenbeinküste: Menschen erheben sich gegen diktatorische Regime. Sie versuchen, das Joch der Unterdrückung abzuschütteln, Armut, Korruption und Ungerechtigkeit sollen endlich der Vergangenheit angehören. Und so viele Unschuldige, auch Kinder, lassen dabei ihr Leben. Auch auf der Flucht über das Meer. Und viele Schiffe zerschellen an der Hartherzigkeit Europas.

Zu den Bildern einer in Unordnung geratenen Welt gehören auch Tränen und Leid bei uns. Wenn ein geliebter Mensch stirbt und wir erkennen müssen, dass wir dem Tod, auch dem Tod unseres eigenen Lebens, nicht ausweichen können. Wenn wir allein diese Bilder und Erfahrungen hätten, dann würden wir ganz bestimmt in der Sinnlosigkeit allen menschlichen Arbeitens, Denkens und Forschens verloren gehen.

Wir brauchen Hoffnung

Wir brauchen Gegen-Bilder wie die Luft zum Atmen. Wir brauchen Hoffnung wie das tägliche Brot und wir brauchen einen Glauben, der über das hinausgeht, was wir sehen, erfahren und tun.

Im letzten Buch unserer Bibel, der Offenbarung, werden uns diese Bilder geschenkt: Der neue Himmel und die neue Erde, das neue Jerusalem als der Ort des sicheren Friedens und der bleibenden Gerechtigkeit. Das Bild der Wohnung Gottes bei den Menschen - Gott nicht hoch über den Wolken und fernab seiner Schöpfung. Er will mitten unter uns wohnen. Er will den Menschen nahe sein. Weil ihm nicht gleichgültig ist, was aus uns wird. Das Bild der Abwesenheit von Tränen und Tod. "Seht, ich mache alles neu!"

Gott will eine Welt, die heil und in Ordnung ist. Gott will eine Welt ohne Klage und Tod, ohne Trennungen und ohne Krieg und Gewalt. Das Bild vom neuen Himmel und der neuen Erde ist eben mehr als Träumerei und Schwärmerei von uns Menschen. Es ist Gottes Plan für unsere Welt: Neuschöpfung nach der Schöpfung.

Das Fest der Verwandlung steht bevor

Wir feiern in wenigen Tagen Ostern, das große Fest der Verwandlung. Aus Tod wird Leben, aus Dunkelheit wird Licht. Und Gott hat der Hoffnung für seine Schöpfung Nachdruck verliehen. Er selbst wurde Teil der Schöpfung, um sie von innen heraus mit seiner Kraft zu verwandeln. Deshalb wurde er Mensch in Jesus Christus. Er hat das Alte überwunden. Er steht für Gottes neue Welt, die sich nicht nur in unseren Herzen abspielt und nicht nur in der inneren Schau der an ihn Glaubenden. Gottes neue Erde und sein neuer Himmel, das ist unsere Hoffnung, werden sich vor den Augen der ganzen Welt ereignen. Jesus hat nicht nur für die Frommen den Tod in neues Leben verwandelt.

Unsere Hoffnung auf den neuen Himmel und die neue Erde teilen wir mit allen Menschen und der ganzen Schöpfung. "Seht, ich mache alles neu!" Verwandlung, das ist auch das große Thema dieser Bundesgartenschau in Koblenz. Und damit dockt sie an die Hoffnung der Menschen an, von der ich am Anfang gesprochen habe. Nichts muss so bleiben, wie es ist – ein schöner Hinweis auf die Vision unseres Glaubens.

Das Gesicht dieser Stadt hat sich in den letzten Monaten vor unseren Augen verwandelt. Vieles ist neu geworden: die Gartenanlage rund um das kurfürstliche Schloss, die Rheinpromenade, die Blumenhöfe rund um diese Kirche, der Festungspark hoch auf dem Ehrenbreitstein und dann die Festung selber. Für die Menschen, die hier wohnen und für die, die als Gäste in diese Stadt kommen, eröffnen sich neue Einblicke. Plätze laden zum Verweilen und Aufatmen ein – zur Meditation im Alltag. Koblenz hat sich verwandelt und vieles davon wird auch nach diesen sechs Monaten Bestand haben. Nicht nur Gebäude und Grünflächen, sondern auch die Lebensfreude der Menschen, die sich auf einmal ganz neu mit ihrer Stadt und der Region identifizieren.

Etwas Großartiges und Schönes ist entstanden

Die Bundesgartenschau ist nicht der neue Himmel und die neue Erde. Viele Menschen haben daran gewirkt, dass etwas Großartiges und Schönes entstanden ist. Auch das ist ein gelungenes und notwendiges Gegen-Bild zu den anderen Bildern, die uns in diesen Tagen bewegen. Das Bewahren der Schöpfung gehört zu den Grundaufgaben jeder Generation. Und jeder Garten zuhause und eben auch eine Bundesgartenschau legen davon Zeugnis ab, dass es uns gelingen kann, auch in einer in Unordnung geratenen Welt den Menschen ein Zuhause anzubieten. Auch diese Bundesgartenschau hält unsere Sehnsucht nach Gottes neuer Welt und unsere Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde wach.

"Seht, ich mache alles neu!" Das ist Gottes Versprechen für uns Menschen und die ganze Welt. Und so wünsche ich uns, dass wir eine Ahnung davon bekommen, was mit diesem Versprechen gemeint ist. Lassen wir uns in den nächsten Monaten durch die Bundesgartenschau inspirieren: Zum Staunen über Gottes wundervolle Schöpfung. Und zu Begegnungen miteinander. Heute können wir damit anfangen. Amen.