Viele Abgeordnete sprachen in der dreistündigen Debatte den Gewissenskonflikt an, in dem sie sich beim Thema Präimplantationsdiagnostik (PID) befinden. Die Ängste betroffener Eltern gelte es abzuwägen gegen eine Auswahl von Embryonen, sagte der Bioethik-Experte der SPD-Fraktion, René Röspel. Von der Abwehr einer schweren Notlage sprach die FDP-Gesundheitspolitikerin Ulrike Flach. Menschen dürften nicht zu Richtern über lebenswertes Leben werden, sagte hingegen Günter Krings (CDU).
Flach sprach sich für eine begrenzte Zulassung der PID aus. "Wir öffnen nicht alle Türen für die PID", betonte die Liberale. Sie verwies auf Erfahrungen aus Großbritannien, wo die PID seit Jahren erlaubt ist. Dort habe es 2008 nur 214 Fälle gegeben, dass sei weniger als ein Prozent aller künstlichen Befruchtungen in dem Land gewesen. Flach hat mit Abgeordneten aller Fraktionen einen Gesetzentwurf erarbeitet, nach dem die PID nicht rechtswidrig sein soll, wenn die Nachkommen "eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit" haben.
Abtreibungen werden durch PID nicht verhindert
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die den Flach-Antrag unterstützt, sagte, dass der rechtliche Status des Embryos derzeit nicht "streitfrei" sei. Ein Verbot der PID betrachtete die Justizministerin als "unerklärbaren Wertungswiderspruch im Fortpflanzungsmedizinrecht". Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Krings sah die Erfahrungen aus dem Ausland hingegen kritisch. In Frankreich zeige sich, dass die Grenzen der Zulassung verschoben würden zulasten des Embryos. Krings gehört zu den Initiatoren eines Gesetzentwurfes für ein völliges Verbot der PID. Maria Flachsbarth (CDU), die ebenfalls den Verbotsantrag unterstützt, wies darauf hin, dass nur jedes fünfte Paar nach einer PID ein Kind bekomme.
Die Forschungspolitikerin der Grünen, Priska Hinz, betonte, dass durch PID Abtreibungen nicht verhindert würden. In Ländern, in denen die Gentests erlaubt seien, würden in der Hälfte der Fälle auch während der Schwangerschaft Untersuchungen am Fötus vorgenommen. In Frankreich sei die Abtreibungsquote sogar gestiegen. Hinz spricht sich wie Röspel von der SPD dafür aus, die PID nur Paaren zu ermöglichen, die eine genetische Vorbelastung bzw. eine Chromosomenstörung haben, so dass Schwangerschaften in der Regel mit einer Fehl- oder Totgeburt enden.
Mehrere Abgeordnete nahmen die Perspektive von behinderten Menschen auf das Thema ein. Der behindertenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Ilja Seifert, sprach an, dass vielen behinderten Menschen ihr Leben wichtig sei. "Denn sie haben nur eines." Markus Kurth (Grüne) befürchtete eine "Perspektivverschiebung". Es bestehe die Gefahr, dass Behinderung in der Gesellschaft als vermeidbares Leid betrachtet werde. Petra Sitte (Linke) äußerte hingegen Verständnis für Eltern, die ihren Kindern Leid durch die von ihnen vererbte Krankheit ersparen wollten.
Befürworter knapp in der Mehrheit
Die Gegner der Gentests an Embryonen haben bislang 192 Unterstützer aus allen Fraktionen, die Befürworter der weiteren Zulassung 215 Abgeordnete hinter sich versammelt. Den Antrag für die eng begrenzte Zulassung befürworten 36 Parlamentarier. Die Abstimmung über die Gesetzesänderung, bei der kein Fraktionszwang gelten soll, ist für Juni geplant. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verfolgte die Debatte, ergriff aber nicht das Wort.
Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen vor dem Einpflanzen in den Mutterleib gentechnisch untersucht und gegebenenfalls ausgesondert. Damit kann die Weitergabe schwerer Erbkrankheiten verhindert werden, allerdings wären auch Selektionen nach anderen genetischen Merkmalen grundsätzlich möglich. Eine Neuregelung steht an, weil der Bundesgerichtshof im Juli 2010 das bisherige Verbot der PID gekippt hatte.