Wer zahlt, wenn die Eltern ins Pflegeheim gehen?
Was tun, wenn die Eltern finanzielle Unterstützung brauchen? Der Dschungel aus berechtigten Ansprüchen, Forderungen der Sozialämter und Fehlbescheiden ist kaum zu durchdringen. Experten sagen: Ohne rechtlichen Rat geht fast gar nichts.
14.04.2011
Von Lieselotte Wendl

 Sie hatten sich alles so schön vorgestellt: Gemeinsam alt werden, im Sommer die Sonne auf der Terrasse des eigenen Häuschens genießen, im Winter gemütlich vor dem Kamin sitzen. Und dann kam alles ganz anders. Es fing damit an, dass Elfriede Weier (Namen geändert) im Supermarkt nicht mehr wusste, was sie einkaufen wollte. Bald kamen zu den ersten Anzeichen der Demenz auch körperliche Gebrechen hinzu. Ein Sturz mit Beinbruch brachte schließlich die Entscheidung: Elfriede Weiter zog um ins Pflegeheim. Ihr herzkranker Ehemann, der sie nicht pflegen konnte, zog mit.

Noch reichen die Ersparnisse aus, um die Kosten zu begleichen. Doch ihre Tochter Angelika Schmidt, die mit den Eltern im gleichen Haus lebte, fürchtet den Tag, an dem das Geld zu Ende geht. Die Eltern haben ein Nießbrauchsrecht, im Haus zu wohnen. Kann sie dann das Haus verkaufen, um die Kosten für das Altenheim zu decken? Muss sie ihr eigenes Einkommen dafür aufwenden? Angelika Schmidts Kinder sind noch in der Ausbildung. Muss dann etwa ihr Mann für die Schwiegereltern aufkommen?

Lauter ungeklärte Fragen, die zur Sorge um die gebrechlichen Eltern hinzukommen. Denn dass sie als einzige Tochter verpflichtet werden kann, für ihre Eltern zu zahlen, wenn diese es nicht mehr können, weiß Angelika Schmidt. Sie weiß auch, dass sie dazu verpflichtet ist, ihre Einkommensverhältnisse gegenüber dem Sozialamt offenzulegen. Wann und wie viel sie aufwenden muss, weiß sie jedoch nicht.

Immer mehr Menschen im Pflegeheim – bei hohen Kosten

Da die Menschen heute in der Regel älter werden als noch vor einigen Jahrzehnten, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie gegen Ende ihres Lebens pflegebedürftig werden und oft in ein Seniorenheim umziehen. Das heißt aber auch, dass oft hohe Kosten auf die alten Menschen zu kommen, und – wenn sie diese nicht mehr tragen können – zum Teil von ihren Nachkommen aufgebracht werden müssen.

Müssen nun massenhaft Menschen mittleren Alters einen Teil ihres Einkommens für die alten Eltern hinlegen, müssen sie ihre eigene Altersversorgung zurückstellen oder können sie gar die eigenen Kinder nicht mehr unterstützen? Nein, sagt Martina Wiehl, auf Familienrecht spezialisierte Rechtsanwältin in Wiesbaden. Der Unterhalt für minderjährige Kinder etwa habe in jedem Fall Vorrang vor Zahlungen für die alten Eltern. Auch die Versorgung von Ehegatten, volljährigen Kindern oder Enkeln muss zunächst gedeckt sein – sofern hier eine Unterhaltspflicht besteht –, bevor Geld für die Eltern verlangt werden kann.

Sozialämter bitten immer öfter zur Kasse

Gleichwohl prüften in den vergangenen Jahren die Sozialämter weitaus häufiger als bisher, inwieweit sie die Kinder von pflegebedürftigen Senioren zur Zahlung heranziehen können, so die Erfahrung der Rechtsanwältin. Eine Ursache dafür sind sicher die immer knapper werdenden öffentlichen Kassen. Zum anderen aber sind die oft komplizierten Berechnungen von Unterhaltsverpflichtungen heute viel einfacher zu bewältigen, gibt es doch zuverlässige Computerprogramme für Rechtsanwälte als auch für Sozial- und Jugendämter oder Gerichte.

Aber Vorsicht, sagt Wiehl. Nicht immer seien die Berechnungen korrekt: "90 Prozent der Unterhaltsberechnungen, die mir von Sozialämtern vorliegen, gehen zu Lasten des Unterhaltspflichtigen", hat sie festgestellt. So werde oft verlangt, dass Unterhaltszahlungen auch vom "Vermögensstamm" geleistet werden, also etwa das Eigenheim verkauft werden müsste. Das sehe die Rechtsprechung häufig anders, wie ohnehin Gerichte meist einen großzügigeren Blick auf die sogenannte "Sandwichgeneration" richteten.

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Gemeint sind damit jene Menschen, denen – kaum dass die Kinder auf eigenen Füßen stehen – der Unterhalt der pflegebedürftigen Eltern auferlegt wird. Die Richter bemängelten zum Beispiel auch, wenn etwa Rücklagenbildung für Instandsetzungsarbeiten am Eigenheim nicht berücksichtigt würden. Auch die eigene Altersversorgung dürfe durch die Unterhaltsleistungen nicht beeinträchtigt werden.

Listen und Tabellen zur Berechnung von Unterhaltsleistungen, darauf weist auch eine Broschüre der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ausdrücklich hin, stellten lediglich Anhaltspunkte dar, die jeweils individuell ausgefüllt werden müssten. Sie haben keine Gesetzeskraft. Die Oberlandesgerichte verfahren in ihren Bezirken nach jeweils eigenen Richtlinien, die sie auf ihren Internetseiten veröffentlichen.

Besser einen Fachanwalt hinzuziehen

Wenn unterhaltspflichtige Kinder eine sogenannte Überleitungsanzeige vom Sozialamt erhalten, mit denen dieses seine Ansprüche rechtlich geltend machen kann, sollten sie daher unabhängige rechtliche Beratung einholen. Denn bei den Ämtern selbst ist eine neutrale Beratung nicht gewährleistet – nicht etwa aus bösem Willen, sondern weil sie ja bestimmte Interessen zu wahren haben.

Das beginnt schon bei der Auskunftspflicht, sagt Martina Wiehl. So müssten etwa Ehepartner von Unterhaltspflichtigen keine Auskünfte über ihre Einkommensverhältnisse geben, dürften sie doch zum Unterhalt der Schwiegereltern nicht direkt herangezogen werden. Ebenso könne nicht verlangt werden, dass jemand seinen bisherigen Lebensstandard komplett herunterfährt.

Von daher rät die Juristin auch davon ab, direkt mit den Ämtern zu verhandeln. Manchmal könne es jedoch angezeigt sein, dem Sozialamt freiwillig einen bestimmten Betrag als Unterhaltsleistung für die Eltern anzubieten.

Kommt es wirklich zu einer Auseinandersetzung mit dem Sozialamt und spricht man sich gar vor Gericht wieder, so ist die Beratung durch einen kompetenten Rechtsbeistand unerlässlich. Fachanwälte oder spezialisierte Rechtsvertreter findet man über die Internetseiten der regionalen Rechtsanwaltskammern, die die Bundesrechtsanwaltskammer auf ihrer Homepage verzeichnet hat.

Wer sich zunächst über die Grundlagen des Elternunterhalts informieren will, ist gut beraten mit der Broschüre "Elternunterhalt" der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Hilfreiche Internetseiten (siehe Box: "Mehr im Netz") informieren ebenfalls über das Thema und geben gute Tipps.

Ratgeber "Elternunterhalt" (9,90 Euro zuzüglich Versandkosten von 2,50 Euro): Versandservice der Verbraucherzentralen, Adersstr. 78, 40215 Düsseldorf, Telefon 0211/3809-555, www.vz-ratgeber.de oder bei den örtlichen Beratungsstellen der Verbraucherzentralen

 

 


Lieselotte Wendl arbeitet als freie Journalistin in Frankfurt.