In Erinnerung an den biblischen Bericht vom Einzug Jesu in Jerusalem am Palmsonntag werden seit mehr als 1.000 Jahren Prozessionen mit Liturgie und Lesung der Leidensgeschichte veranstaltet. Der Überlieferung nach ritt Jesus auf einem Esel in die Stadt. Die Bewohner begrüßten ihn als Friedenskönig und breiteten vor ihm grüne Zweige aus, dem Johannesevangelium zufolge Palmzweige. Noch heute führt die Jerusalemer Palmprozession, zu der sich alljährlich Pilger aus der ganzen Welt einfinden, von Bethanien bis in die Nähe der Grabeskirche. Als Darstellung Christi wird dabei seit alters her auf einer Bahre entweder ein Evangelienbuch oder ein Kreuz mitgeführt.
Auf einem Holzesel durch die Straßen
Während es dann später in England Brauch war, am Palmsonntag eine Hostiendose durch die Straßen zu tragen, kannte man im Süden des deutschsprachigen Raumes seit dem Mittelalter aufwendige Palmprozessionen. Dabei wurde eine Christusfigur auf einem Holzesel durch die Straßen getragen oder gezogen. Mancherorts konnte es auch ein verkleideter Kleriker sein, der auf einem echten Esel durch die Straßen trabte und die Gläubigen segnete, die den Zug begleiteten oder die Straßen säumten.
Doch obwohl bei den Prozessionen stets liturgische Gesänge erklangen, hinderte das die Prozessionsteilnehmer nicht daran, in den frommen Umgängen eine unterhaltsame Abwechslung zu sehen. Mehr und mehr wurden die "Eselsumzüge", wie sie im Volksmund genannt wurden, zu einem volkstümlich-bunten Treiben.
Dem folgten strenge Verbote "von Kirch- und Polizeiwegen" gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Die holzgeschnitzten Palmesel wurden aus dem Verkehr gezogen, einige wenige historische Exemplare gibt es noch heute in Museen. Im Sprachgebrauch ist der Palmesel allerdings auch weiterhin präsent: Als "rechter Palmesel" gilt vielerorts, wer sich selbst zum Gespött macht oder sich - bildlich gesprochen - wie der hölzerne Palmesel überall herumziehen lässt, ohne dabei zu merken, was um ihn herum vorgeht.
Einst soll man sich nämlich einen Spaß daraus gemacht haben, den Palmesel möglichst schnell durch holprige Straßen und Gassen zu rollen, damit sich ein unter dem Schwanz des Tieres verborgenes "Geheimfach" öffnete. Zur Freude der Kinder rollten dann gekochte Eier oder kleine Brötchen auf den Weg. Im Rhein-Main-Gebiet war gar der Kinderglaube verbreitet, der Palmesel bringe folgsamen Kindern zu Palmsonntag Eier.
"Palmweihe" für blühende Zweige der Salweide
In der katholischen Kirche finden am Palmsonntag noch heute vor der Messe oft feierliche Prozessionen statt. Bei der "Palmweihe" werden Zweige geweiht, dazu nimmt man meist die blühenden Zweige der Salweide, Haselnusszweige, kleine Tannenäste, Kräuter und Buchsbaumzweige. Sie werden zu Palmbuschen aufgebunden und mit Früchten, Gebildbroten, gefärbten Eiern, bunten Bändern oder Hobelspänen, mit Papierblumen und kleinen Kränzen geschmückt.
Viele dieser kunstvoll arrangierten Gebilde sind von beachtlicher Größe, wodurch sie - altem Volksglauben nach - in der Lage sein sollen, besonders "viel Weihe" abzubekommen. Traditionell tragen Jungen die Palmbuschen in die Kirche, nach dem Gottesdienst werden die Gebinde auseinandergenommen und die einzelnen Zweige im Haus verteilt.
Da man den geweihten Ästchen Schutz- und Segensfunktionen zuschreibt, werden sie ebenso in der Wohnung wie im Stall oder unter dem Dachfirst verwahrt. In weiten Teilen Österreichs stecken sie die Bauern noch wie ehedem hinaus auf die Felder. Mancherorts ist es auch üblich, den "Palmsegen" auf den Friedhof zu tragen und auf den Gräbern verstorbener Familienangehöriger jeweils ein kleines Palmästchen niederzulegen.