TV-Tipp des Tages: "Holy Lola" (Arte)
"Holy Lola" ist in erster Linie ein Adoptionsdrama und damit auch die Geschichte einer Ehe, doch genauso und mitunter mehr noch ein Film über Kambodscha.
11.04.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Holy Lola", 12. April, 14.45 Uhr auf Arte

Als Tiffany Tavernier mit ihren Recherchen fertig war, hatte sie Stoff für zwölf Filme. Acht Drehbuchentwürfe später war ihr Vater Bertrand endlich zufrieden. Jetzt fehlte nur noch die Schocktherapie für Schauspieler und Techniker: Kaum in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom-Penh eingetroffen, wurden sie gleich zur großen Müllkippe gebracht, wo Hunderte im Abfall wühlen und sich scharenweise um die Laster drängen. Anschließend besuchten die Mitarbeiter zwei Waisenhäuser und das Völkermordmuseum im ehemaligen Straflager. Ein bisschen viel Didaktik für einen Film, in dem es doch bloß um Adoption geht?

Genau das aber ist der springende Punkt: "Holy Lola" ist zwar in der Tat in erster Linie ein Adoptionsdrama und damit auch die Geschichte einer Ehe, doch genauso und mitunter mehr noch ein Film über Kambodscha. Immer wieder streift die Kamera zum wunderbar stimmigen Jazz von Henri Texier scheinbar ziellos durch die Straßen der Stadt. Müllkippe und Museum sind auch im Film fest verankert.

Mit Jacques Gamblin und Isabelle Carré

Nicht minder dokumentarisch ist die eigentliche Erzählebene, selbst wenn sie in eine Spielhandlung verpackt ist. All die Schicksale der Menschen, die Tiffany Tavernier kennen gelernt hat, sind in den Film eingeflossen. Natürlich konnten sie nicht in den beiden Hauptfiguren komprimiert werden. Doch da Pierre und Géraldine Cessac (Jacques Gamblin, Isabelle Carré) in jenem Hotel "Guest House Rega" abgestiegen sind, das allen französischen Adoptiveltern empfohlen wird (auch Tavernier hat dort gedreht), gibt es immer wieder Gelegenheit für die anderen potenziellen Eltern, ihre Geschichten zu erzählen.

Bei aller Verpflichtung zur Authentizität: "Holy Lola" ist dennoch ein Spielfilm. Die dokumentarische Ebene gibt ihm jedoch eine zusätzliche Kraft, die durch reine Inszenierung kaum zu erreichen wäre. Vor allem Isabelle Carré sorgt dafür, dass man stets emotional engagiert bleibt. Ihr Spiel der verzweifelten jungen Frau, die sich nichts sehnlicher wünscht als ein Kind, ist von eindrucksvoller Intensität. Als wär’s ein Stück von Kafka, muss das Paar in monatelangen Prozedur um immer wieder neue Stempel in immer wieder neuen Amtsstuben bitten. Trotz allem ist "Holy Lola" nicht deprimierend. Natürlich nagen die negativen Erfahrungen auf Dauer am Nervenkostüm des Paares, was nicht ohne Einfluss auf ihre Beziehung bleibt; doch Gamblin und Carré sorgen mit diversen lustvollen und heiteren Momenten für genug Gegengewicht. Und dann ist da ja noch das Titelkind, ein entzückendes Baby, dass dem Paar schließlich zum ersehnten Glück verhilft.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).