Ab sofort gilt das Burka-Verbot in Frankreich
Rund zwei Jahre wurde diskutiert und geplant, jetzt ist es soweit: In Frankreich dürfen Frauen in Vollschleier per Gesetz nicht mehr auf die Straße gehen. Viele andere westliche Staaten verfolgen das Projekt gespannt. Die Terrororganisation Al-Kaida droht.
11.04.2011
Von Ansgar Haase

Kein Gang zum Supermarkt mehr, kein Kinobesuch, kein Spaziergang im Park: Komplett verschleierte Frauen sind in Frankreich ab sofort vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Als erstes westliches Land ließ die Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy am Montag ein sogenanntes Burka-Verbot in Kraft treten - trotz Drohungen islamistischer Extremisten. Es gilt nicht nur für Franzosen, sondern auch für Gäste aus der arabischen Welt.

Die Mehrheit der Franzosen klatscht Beifall. Wie die meisten Politiker sieht sie den Vollschleier als Symbol der grausamen Unterdrückung von Frauen und als Zeichen eines fundamentalistischen Islams. Bei der Abstimmung über das Verbot im Senat stimmte nur ein einziger Abgeordneter dagegen. Präsident Sarkozy hatte rund ein Jahr zuvor den Kurs vorgegeben: "Die Burka ist kein religiöses Zeichen, sondern ein Zeichen der Unterwerfung. Sie ist in Frankreich nicht willkommen", urteilte der Staatschef. Mit mangelndem Respekt vor dem Islam habe seine Ablehnung der Vollschleier nichts zu tun.

"Angriff auf meine europäischen Rechte"

Die wenigen Betroffenen, die sich gegenüber Journalisten äußern, schwanken zwischen Wut und Verzweiflung. "Dieses Gesetz ist ein Angriff auf meine europäischen Rechte", sagte die 32-jährige Kenza Drider am Montagvormittag in Paris vor Reportern. Das Verbot behindere sie in der Ausübung ihrer Religions- und Bewegungsfreiheit.

Gemeinsam mit Gleichgesinnten demonstrierte Drider vor der Pariser Kathedrale Notre-Dame gegen das Verbot und drohte mit einem Gang vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Mit zwei anderen Frauen wurde sie wenig später vorübergehend festgenommen. Allerdings nicht, weil sie ihr Gesicht verhüllt hatte, sondern weil sie sich an einer nicht angemeldeten Demonstration beteiligte, betonten die Behörden.

Härtere Strafen für Männer

Auf Frauen wie Drider kommen schwere Zeiten zu. Wenn sie weiterhin Burka oder Nikab tragen wollen, müssen sie künftig bei jedem Gang vor die Haustür mit einem saftigen Bußgeld rechnen. Für Verstöße gegen das als Vermummungsverbot formulierte Gesetz ist eine Strafe von 150 Euro vorgesehen. Zusätzlich oder alternativ dazu kann den Frauen ein Kurs in Staatsbürgerkunde aufgebrummt werden.

Noch wesentlich härter sind die Strafen für Männer, denen nachgewiesen werden kann, Frauen zum Tragen eines solchen Schleiers zu zwingen. Sie sollen mit bis zu einem Jahr Haft und einer Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro büßen. Sind die Genötigten minderjährig, kann der Richter sogar zwei Jahre Haft und 60.000 Euro Strafe verhängen. Das Gesetz solle vor allem die Frauen und ihre Rechte schützen.

Dass es viele Verfahren geben wird, gilt als unwahrscheinlich. Nach Zahlen des Innenministeriums verbergen nicht mehr als 2000 der 65 Millionen Franzosen ihr Gesicht hinter Kleidungsstücken, die nur schmale Sehschlitze für die Augen offen lassen (Nikab) oder diese sogar noch mit einem Gitterschleier verdecken (Burka). Noch niemand hat allerdings ausgerechnet, welcher wirtschaftliche Verlust entsteht, wenn superreiche und komplett verschleierte Frauen aus Saudi-Arabien und den Emiraten nicht mehr in Paris einkaufen gehen.

Al-Kaida droht

Im Ausland dürfte die Umsetzung des Burka-Verbots sehr genau beobachtet werden. Belgien hat bereits eine ähnliche Gesetzesinitiative gestartet, auch in Deutschland gibt es immer wieder Forderungen nach einem Verbot von Ganzkörperschleiern. Kritik kommt aber aus den USA. Westliche Staaten sollten muslimischen Frauen nicht vorschreiben, was sie anzuziehen haben, hatte US-Präsident Barack Obama 2009 in seiner berühmt gewordenen Kairoer Rede gesagt.

Islamistische Extremisten belassen es nicht bei Mahnungen, sie drohen mit blutiger Rache. Die Terrororganisation Al-Kaida im islamischen Maghreb hat seit dem vergangenen Herbst mehrere Franzosen in ihrer Hand - und forderte gleich nach der Entführung eine Rücknahme des Burka-Verbots. Al-Kaida-Chef Osama bin Laden sagte in einer Audiobotschaft: "Diese Entführung ist eine Reaktion auf das Unrecht, das ihr der islamischen Nation zufügt."

Die französische Regierung versucht derzeit, keine neuen großen Diskussionen aufkommen zu lassen. Die Informationskampagne zum Start des Verbots wurde bewusst klein gefahren. Um Diskriminierungsklagen zu vermeiden, hat man das Gesetz als Vermummungsverbot angelegt. Letzteres gibt es in Ländern wie Italien schon lange - allerdings wurde es dort im Kampf gegen die Kriminalität eingeführt und nicht, um verschleierte Frauen aus der Öffentlichkeit zu verbannen.

dpa