Energiewende: Nun schlagen die AKW-Betreiber zurück
Die Stromkonzerne verstärken den Druck auf die Bundesregierung wegen deren Plänen für einen beschleunigten Atomausstieg. Als Konsequenz aus dem vorläufigen Aus für sieben ältere Meiler drehen die Betreiber RWE, Eon, Vattenfall und EnBW dem Fonds zur Förderung regenerativer Energien den Geldhahn zu. Die Regierung reagiert gelassen. Derweil einigten sich das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium auf ein Sechs-Punkte-Papier für eine beschleunigte Energiewende.

Im Zentrum steht die Windkraft. Spitzenpolitiker der Koalition betonten den Willen zu einem raschen Atomausstieg, warnten aber vor überhasteten Schritten. RWE hatte Ende März Klage gegen die Abschaltung seines hessischen AKW Biblis A eingereicht. Einen Beschluss der Energiewirtschaft, mit dem unter bestimmten Voraussetzungen ein Atomausstieg bis 2020 angepeilt wird, trugen RWE und Eon am Freitag nicht mit.

Den Zahlungsstopp teilten die großen Stromunternehmen der Bundesregierung am Freitag telefonisch mit. Regierungskreise bestätigten der dpa am Samstag einen entsprechenden "Spiegel"-Bericht. Die Konzerne begründeten ihren Schritt mit der Bindung der Zahlungen an die 2010 vereinbarte Laufzeitverlängerung für die Meiler. Die Bundesregierung hat diese Verlängerung nach der Atomkatastrophe von Japan bis Mitte Juni ausgesetzt.

Konzerne zahlen nicht mehr für Ökofonds

Eine Regierungssprecherin sagte, die Bundesregierung werde auch die finanziellen Auswirkungen des Laufzeiten-Moratoriums prüfen. "Klarheit darüber wird es letztendlich erst mit der Neuausrichtung der Energiepolitik geben." Diese "kann gegebenenfalls zu einer Modifizierung der Abmachung mit den Versorgern führen".

Nach den Worten einer Vattenfall-Sprecherin wurden die Zahlungen "vorübergehend eingestellt". Ein RWE-Sprecher erklärte, das Unternehmen werde seine Raten "bis zur Klärung in dem Moratorium auf ein Sonderkonto zahlen". Ein EnBW-Sprecher sagte, der Stopp sei "logische Folge des Moratoriums". Ein Eon-Sprecher erläuterte: "Durch die von der Bundesregierung und den Bundestagsfraktionen klar geäußerte Abkehr von der Laufzeitverlängerung entfällt die Grundlage für den Förderfondsvertrag." Der Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien war im Zusammenhang mit der Laufzeitverlängerung im Herbst 2010 eingerichtet worden. Insgesamt wurde mit Einnahmen von 16,9 Milliarden Euro gerechnet.

Röttgen und Brüderle wollen mit dem raschen Ausbau erneuerbarer Energien, mehr Energieeffizienz und zusätzlichen Investitionen ins Stromnetz den Atomausstieg beschleunigen. In ihrem der dpa vorliegenden Papier heißt es, der raschere Ausstieg aus der Kernenergie müsse "realistisch und mit Augenmaß erfolgen". Bund, Länder und Kommunen seien gemeinsam gefordert. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Freitag auf der Basis der Röttgen-Brüderle-Pläne mit den Ministerpräsidenten über die Energiewende diskutieren.

SPD bietet Atomkonsens an

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", die Katastrophe in Japan bestätige den neuen Kurs in der Energiepolitik. "Das bedeutet aber nicht, dass wir Hals über Kopf aus der Kernenergie aussteigen." Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) ging in der "Leipziger Volkszeitung" davon aus, dass die Meiler Neckarwestheim I, Krümmel und Isar I nicht mehr ans Netz gehen. FDP-Generalsekretär Christian Lindner betonte im "Hamburger Abendblatt", er erwarte, dass die weit überwiegende Zahl der sieben derzeit stillgelegten Altmeiler nicht mehr ans Netz gehe.

CSU-Chef Horst Seehofer verband den Erfolg der Koalition mit der Energiewende. "Dieses Projekt ist wichtiger als alles andere, was im Koalitionsvertrag steht", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". "Wir gehen in die entscheidende Etappe der Koalition in Berlin." SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier bot der Regierung in der "Saarbrücker Zeitung" die Beteiligung an einem Energiekonsens an, wenn die Laufzeitverlängerung zurückgenommen und die vorübergehend vom Netz genommenen Meiler dauerhaft stillgelegt würden. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi hielt Union und FDP wegen deren Äußerungen zu einem "übereilten" Atomausstieg ein Einknicken vor der Atomlobby vor. Mit den Konzernen sei die Energiewende nicht zu machen.

dpa