Japan: Auch die Seele braucht Hilfe
Elf Tonnen Trinkwasser, 13.600 Liter Diesel, zwei Tonnen Reis, 6.300 Bananen, 20.000 Garnituren Unterwäsche, der "Einkaufszettel" von Caritas International geht noch weiter… Alles Dinge, die die Partnerorganisation Association for Aid and Relief (AAR) bisher in die Notunterkünfte entlang der japanischen Küste geliefert hat. Vor genau einem Monat hat der Tsunami Städte und Dörfer am Pazifik überschwemmt. Den Überlebenden blieb nichts als das nackte Leben. Versorgt werden sie seitdem auch mit Unterstützung aus Deutschland.
08.04.2011
Von Anne Kampf

Noch immer leben hunderttausende Obdachlose in den Notunterkünften und sind auf Versorgung angewiesen. Am nötigsten wird in den Katastrophengebieten nach wie vor Nahrung gebraucht: Reis, Obst, Wasser, Milchpulver. Die Organisationen ADRA und CARE sowie die katholische Kirche verteilen warme Suppe an die Bevölkerung. Das zweitwichtigste ist Medizin und Hygiene: Windeln, Shampoo, Seife, Monatshygiene für die Frauen. World Vision, ARR, das Rote Kreuz und andere haben außerdem Decken, Matratzen und Handwärmer zu den Menschen gebracht. Von Versorgungslücken hat zumindest DRK-Pressesprecherin Svenja Koch nichts gehört, nur an Benzin habe es stellenweise gemangelt.

Bis heute hat Japan kein Nothilfe-Gesuch an andere Länder gestellt. Nur für die Bergungsarbeiten direkt nach dem Erdbeben und für die schwierigen Arbeiten am Atomkraftwerk Fukushima wurden ausländische Helfer ins Land gelassen. Die Nothilfe läuft über japanische Behörden und japanisches Personal mit finanzieller Unterstützung aus dem Ausland. Geldspenden helfen in diesem Fall mehr als Sachspenden. Die "Aktion Deutschland hilft" macht darauf aufmerksam, dass es zu umständlich und zu teuer wäre, beispielsweise Kleiderspenden nach Japan zu transportieren, die japanische Regierung möchte ausdrücklich keine Sachspenden entgegen nehmen.

Adoptionen? Gut gemeint, aber nicht das Richtige

Eine japanische Rotkreuzhelferin verteilt Hilfsgüter  (Foto: dpa)

Auf ihrer Internetseite erklärt die "Aktion Deutschland hilft" außerdem, warum nicht jedes gut gemeinte Angebot vom anderen Ende der Welt für die Japaner das Richtige ist: So gab und gibt es die Idee, die Menschen aus den betroffenen Gebieten in Europa aufzunehmen oder den vielen Waisenkindern Adoptiveltern im Ausland zu vermitteln. Die Japaner wüssten solche Geste zwar zu schätzen, heißt es von der "Aktion Deutschland hilft", doch sie "stehen (…) die Herausforderungen der letzten Tage gemeinsam durch. Das entspricht ihrem kulturellen Verständnis von Gemeinschaft."

Geldspenden sind also offenbar die sinnvollste Art, den Not leidenden Japanern zu helfen. Das DRK hat bisher in Deutschland 14 Millionen Euro eingesammelt, die "Aktion Deutschland hilft" 7,8 Millionen, World Vision in Deutschland über eine Million und weltweit 25 Millionen Dollar. Das kann sich sehen lassen - auch wenn das Spendenaufkommen bisher geringer ist als zum selben Zeitpunkt nach dem Erdbeben in Haiti und der Überschwemmung in Pakistan. Die Spender in Deutschland wissen, dass Japan ein wirtschaftsstarkes Land ist, deswegen öffnen sie ihre Geldbeutel nicht ganz so weit wie für Entwicklungsländer. Dennoch: Helfen wollen viele.

Jetzt muss die Traumabewältigung beginnen

Als nächstes brauchen die Tsunami-Opfer in Japan vor allem Hilfe für die Seele: Childfund Deutschland verlagert seinen Schwerpunkt mehr und mehr hin zur psychosozialen Betreuung der Kinder und Jugendlichen. Sie brauchen nach dem traumatischen Erlebnis professionellen Beistand. Childfund Japan will ein Handbuch herausgeben, in dem steht, wie Kinder nach einer solchen Situation am besten betreut werden sollten, ehrenamtliche Helfer bekommen außerdem Coachings von professionellen Trainern. World Vision hat die sozialen Bedürfnisse junger und auch alter Menschen im Blick und plant Programme, in denen sie Generationen füreinander da sind - zum Beispiel, indem Jugendliche den Älteren helfen, ihr neues Leben nach dem Tsunami zu organisieren. Die Organisationen CARE und ADRA planen für die Traumabewältigung der Menschen Einsatze von bis zu drei Jahren in Japan ein.

Parallel dazu gibt es so genannte Schattenteams, zum Beispiel beim Roten Kreuz, die schon über den Wiederaufbau der Städte und Dörfer nachdenken. "Das wird immer gleich mitgeplant", sagt DRK-Sprecherin Svenja Koch. Wasserleitungen und Häuser werden schon instand gesetzt, und in der Stadt Ichnoseki reparieren die Malteser ein Kinderheim, damit die Kinder in ihre gewohnte Umgebung zurückkehren können. Einige Familien, deren Häuser nur beschädigt und nicht vollkommen zerstört sind, legen selbst Hand an: Die "Aktion Deutschland hilft" liefert ihnen Werkzeuge, World Vision wurde außerdem um Betten, Kochgeschirr und Schulsachen gebeten. Ein gutes Zeichen: Die Rückkehr in ein normales Leben ist möglich - auch dank der Hilfe aus Deutschland.


Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de und zuständig für Gesellschaft und Politik.