TV-Tipp des Tages: "Wilsberg: Frischfleisch" (ZDF)
Wilsbergs heimliche Liebe, Freundfeindin Kommissarin Anna Springer, hatte sich zum Dessert einen Gigolo gönnen wollen, aber nun liegt der Callboy tot im Hotelzimmer.
08.04.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Wilsberg: Frischfleisch", 9. April, 20.15 Uhr im ZDF

Wenn Wilsberg, der knautschig-kauzige Privatdetektiv aus Münster, ausgerechnet von seiner alten Freundfeindin Anna Springer um Hilfe gebeten wird, ist das für alle "Wilsberg"-Fans ein Fest. Die Ausgangslage dieses Krimis (Buch: Jan Martin Scharf, Arne Nolting) ist zudem prickelnd pikant. Gerade noch hatte die Kommissarin ihren kriminalistischen Kontrahenten beim romantischen Dinner sitzen gelassen, da ereilt ihn ihr Anruf: Wilsbergs heimliche Liebe hatte sich zum Dessert einen Gigolo gönnen wollen, aber nun liegt der Callboy tot im Hotelzimmer. Verständlicherweise hat die Kommissarin keine Lust, als mordverdächtig zu gelten, weshalb Wilsberg ihr als Alibi dienen soll.

Die Lust auf "Frischfleisch"

Aber die Geschichte hat noch eine zweite Ebene, und die ist nicht minder interessant: Wenn sich gesetzte Herren einen Besuch im Bordell gönnen, ist das in der Regel kein Thema. Bei den Damen aber gelten offenbar andere Gesetze; dabei verlieren auch sie, nur weil sie älter werden, keineswegs die Lust auf "Frischfleisch", wie dieser "Wilsberg"-Film ganz undelikat heißt. Dieses Tabu kommt natürlich immer wieder zur Sprache, zumal sich Anna (Rita Russek) mehrfach entsprechend rechtfertigen muss.

Trotzdem steht der Krimi im Vordergrund, denn Wilsberg (Leonard Lansink) erhält den offiziellen Auftrag, den Mörder des schmucken jungen Mannes zu finden, um Anna aus der Schusslinie zu bekommen. Da sie zumindest ihre Anwesenheit im Hotel schlecht verleugnen kann, gilt sie als befangen und muss die Ermittlungen ihrem Assistenten Overbeck (Roland Jankowsky) überlassen; und der, endlich mal Chef, findet bald heraus, mit wem der Tote verabredet war.

Humor und Spannung

Auch dank des großen Ensembles mit seinen festgelegten Figuren funktionieren die "Wilsberg"-Filme stärker noch als etwa die Sonntagskrimis im "Ersten" wie die Folgen einer Serie. Neben den stets mit genau der richtigen Dosis Humor, aber dennoch spannend umgesetzten Geschichten (Regie und Kamera: Hans-Günther Bücking) liegt der große Reiz der Reihe daher darin, dass die Mitwirkenden aus ihrer Rolle fallen. Wilsberg-Kumpel Ekki (Oliver Korittke) zum Beispiel, im Brotberuf Finanzbeamter, muss diesmal "undercover" ermitteln: In der "Dreamboys"-Firma von Tessa Harderer (Lavinia Wilson) ist ja nun eine Stelle frei geworden, und Ekki – "latent vertrottelt, aber süß" - soll sich kurzerhand bewerben und die Kollegen (Bülent Sharif, Andreas Pietschmann) aushorchen.

Er entdeckt, dass die Herren ihre Kundinnen erpressen, weil gerade verheiratete ältere Damen Kundinnen natürlich nicht möchten, dass ihr Freizeitvergnügen publik wird. Da die "Dreamboys" ohnehin unter Künstlernamen arbeiten, helfen sie sich untereinander auch schon mal aus; gut möglich, dass der Tote bloß zur falschen Zeit am falschen Ort war. Mindestens so reizvoll wie die regelmäßig sorgfältig konstruierten Krimigeschichten sind stets die Überraschungen am Rande; Ekkis erster Auftrag sorgt für eine ganz besonders verblüffende Begegnung.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).