Libyen-Konflikt: Deutschland will humanitär mitmachen
Enthaltung im UN-Sicherheitsrat, keine Beteiligung am Nato-Einsatz - bisher hat sich Deutschland aus dem Libyen-Konflikt herausgehalten. Das dürfte sich nun ändern: Für eine humanitäre EU-Mission soll die Bundeswehr Sanitäter, Feldjäger und Pioniere in die Region schicken.
08.04.2011
Von Michael Fischer

Eine Kehrtwende in der deutschen Libyen-Politik ist es nicht, aber eine scharfe Kurve schon: Außenminister Guido Westerwelle ist nach wochenlangem Zögern auf eine aktive Beteiligung Deutschlands am Libyen-Konflikt eingeschwenkt. Zwar werden keine deutschen Flieger Bomben über dem nordafrikanischen Land abwerfen oder das Waffenembargo durchsetzen. Eine noch nicht klar definierte Anzahl von Soldaten soll sich aber stattdessen an der Sicherung von Flüchtlings- und Hilfsgütertransporten beteiligen oder Verletzte versorgen.

Die Außenminister der EU hatten sich bereits am 21. März auf die humanitäre Hilfsaktion verständigt. Wenn ein entsprechendes Ersuchen der Vereinten Nationen vorliege, sei man dazu "im Rahmen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik" bereit, hieß es damals in einem Beschluss. Im Klartext heißt das: Einsatz schwer bewaffneter europäischer Einsatzverbände im Kriegsgebiet. Auch wenn es um medizinische Versorgung und Hilfstransporte geht - ganz so harmlos, wie der Begriff "humanitärer Einsatz" nahe legt, ist die EU-Mission nicht.

Deutsche Beteiligung soll über die Krisenreaktionstruppen der EU laufen

Der Einsatz hat mit "EUFOR Libya" bereits einen Namen und mit dem italienischen Admiral Claudio Gaudiosi auch einen Befehlshaber. Die Bundesregierung legte sich zunächst trotzdem nicht fest, inwieweit sich Deutschland an dem Einsatz beteiligen würde. Humanitäre Hilfe wurde zwar immer als Option genannt, konkretere Ansagen gab es aber nicht.

Am Mittwoch erklärte Westerwelle schließlich seine Bereitschaft, deutsche Soldaten in die EU-Hilfstruppe zu schicken. Dabei drückte er sich zunächst aber so unklar aus, dass niemand merkte, was eigentlich gemeint war. "Für die Bundesregierung ist völlig klar, dass wir bei der humanitären Bewältigung der Folgen dieses Krieges unsere Verantwortung wahrnehmen werden", sagte er. "Wir werden den Menschen, die jetzt leiden, humanitär beistehen." Auf die Worte Bundeswehr, Militär, Soldaten und Krieg verzichtete der Außenminister.

Erst am Donnerstag wurde etwas deutlicher, wie der Bundeswehreinsatz aussehen könnte. Die Regierung favorisiert offenbar den Einsatz der Krisenreaktionskräfte der EU. Die sogenannten "EU-Battlegroups" sind schnelle Eingreiftruppen, die kurzfristig eingesetzt werden können. Deutschland ist derzeit mit 990 Soldaten daran beteiligt: Sanitäter, Feldjäger, Aufklärungs- und Pionierkräfte sowie Personal zur Führungsunterstützung.

Deutschland kehrt an die Seite seiner Bündnispartner zurück

Die deutsche Marine hat derzeit auch noch eine Fregatte und ein Minenjagdboot unter Nato-Kommando im Mittelmeer. Ein Aufklärungsschiff befindet sich dort unter deutschem Kommando. Planungen für den Einsatz deutscher Schiffe im Rahmen der EU-Mission gibt es aber noch nicht.

Dem Einsatz muss der Bundestag zustimmen. Selbst aus der Opposition wird bereits Unterstützung signalisiert. Bei der Entscheidung im Parlament wird es auch um die Befreiung Deutschlands aus der internationalen Isolation in der Libyen-Frage gehen. Erst die Enthaltung im UN-Sicherheitsrat, dann das Ausscheren aus dem Nato-Einsatz zur Durchsetzung der Flugverbotszone und des Waffenembargos: Mit einer Beteiligung an dem Hilfseinsatz könnte Deutschland wieder aktiv an die Seite der Bündnispartner zurückkehren.

Der Krieg könnte noch lange dauern

Der Krieg in Libyen allerdings könnte sich noch hinziehen. Denn Libyens Rebellen haben nach Ansicht des US-Generals Carter Ham kaum Chancen, das Regime von Diktator Muammar al-Gaddafi zu besiegen. "Ich würde die Wahrscheinlichkeit als gering einschätzen", sagte Ham am Donnerstag in einer Kongressanhörung in Washington. Der General befehligt die US-Truppen in Afrika und kommandierte die anfänglichen US-Luftschläge in Libyen.

Der Kampf sei derzeit festgefahren, stellte Ham fest, was auch daran liege, dass Gaddafis Truppen ihre Taktik verändert hätten, um Luftschlägen des internationalen Bündnisses aus dem Weg zu gehen. "Sie operieren nun zu großen Teilen in zivilen Fahrzeugen", sagte Ham. Das mache sie vor allem dann schwerer als Ziele erkennbar, vor allem, weil sie mit den Oppositionstruppen verwechselt werden könnten. Am Donnerstag griffen Kampfjets der Nato erneut irrtümlich eine Fahrzeugkolonne der Aufständischen an.

dpa