Gegen Kulturkampf: SPD will keinen laizistischen Kreis
In der SPD finden laizistische Bestrebungen nur wenig Widerhall. Die Forderung nach einer radikalen Trennung von Staat und Kirche sei nahezu anachronistisch, so Wolfgang Thierse, Bundestagsvizepräsident und ostdeutscher Katholik.
08.04.2011
Von Rainer Clos

Das öffentliche Echo war heftig. Vor einem Jahr schickten sich einige Sozialdemokraten an, einen Arbeitskreis von Laizisten in der SPD zu etablieren. In der ohnedies verunsicherten Volkspartei SPD könnten Kräfte an Boden gewinnen, die auf eine radikale Trennung von Staat und Kirche nach französischem Vorbild zusteuern, wurde nicht nur in den Kirchen befürchtet.

Mit einem Machtwort begegnete die Parteiführung Befürchtungen, die SPD werde auf einen atheistischen Kurs abdriften. Parteichef Sigmar Gabriel, Protestant, und Generalsekretärin Andrea Nahles, Katholikin, verwehrten den Laizisten die Anerkennung als parteioffizielles Forum. Unter "Laizistische Sozis" firmieren seither die kirchenkritischen Sozialdemokraten um die Bundestagsabgeordneten Doris Barnett, Carsten Schneider und Rolf Schwanitz.

Aufklärungsbedarf bei den Konfessionslosen

Die Folie für die laizistische Initiative lieferten die Missbrauchs-Debatte in der katholischen Kirche, die Reibungen bei der Einbürgerung der Muslime sowie die verbreitete Kirchenferne in Ostdeutschland, findet die SPD-Politikerin Kerstin Griese. Die evangelische Sozialdemokratin aus Nordrhein-Westfalen lenkt zusammen mit Wolfgang Thierse, Bundestagsvizepräsident und ostdeutscher Katholik, und anderen den Arbeitskreis Christen in der SPD. Dieser Zusammenschluss, der aus informellen Gesprächskreisen hervorging, ist seit 2008 offiziell als Arbeitskreis der SPD anerkannt.

Aus der Ecke der laizistischen Genossen habe es auch Vorbehalte gegeben gegen eine Veranstaltung der SPD an diesem Freitag, die das Verhältnis von Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften mit prominenten Sozialdemokraten und Kirchenleuten thematisiert, weiß Griese. Die SPD-Politikerin, die der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angehört, sieht Aufklärungsbedarf bei den konfessionslosen Sozialdemokraten, die sich für ein Zurückdrängen von Religion aus der Öffentlichkeit stark machen.

Ein Laizismus französischer Prägung stelle das bundesdeutsche Modell mit partnerschaftlichen Staat-Kirche-Beziehungen auf den Kopf, argumentiert Griese: "Den Staat zum religionsfreien Raum zu machen und ihn auf Laizismus, Konfessionslosigkeit, Humanismus, Atheismus oder Freidenkertum festzulegen, würde keinesfalls dem Grundgesetz entsprechen."

"Radikale Trennung ist anachronistisch"

Die starke Resonanz, die die Forderungen der SPD-Laizisten auslösten, erklärt sich Wolfgang Thierse aus der gegenüber der alten Bundesrepublik stark veränderten religiösen Landschaft. Doch als Antwort auf den zunehmenden Pluralismus sei die schlichte Forderung nach einer radikalen Trennung von Staat und Kirche sowie die Verbannung christlicher Überzeugungen aus der Öffentlichkeit nahezu anachronistisch, argumentiert Thierse, der auch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken tätig ist.

"Der Laizismus ist keine Antwort auf die veränderte weltanschauliche Zusammensetzung der Bevölkerung, sondern eher die Wiederkehr des alten kämpferischen Atheismus", sagt er in der Zeitschrift "Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte". Die laizistischen Positionen widersprechen Thierse zufolge dem Parteiprogramm. Er erinnert zudem daran, dass rund drei Viertel der SPD-Mitglieder eine Religionsgemeinschaft angehören - nahezu jeder zweite Genosse ist evangelisch, jeder vierte Katholik: "Das ist auch gut erklärlich, weil der christliche Glaube eine starke Motivationsquelle ist für soziales und politisches Engagement."

epd