Gewalt und Sperrstunde: Abidjan im Belagerungszustand
Nicht nur Laurent Gbagbo, der abgewählte Präsident der Elfenbeinküste, wird in seiner Residenz belagert. Seine Weigerung, die Macht abzugeben, hält Millionen Menschen in Abidjan im permanenten Ausnahmezustand gefangen.
07.04.2011
Von Selay Marius Kouassi und Eva Krafczyk

Céline Konan, eine 26 Jahre alte Friseurin aus Abidjan, ist verzweifelt. Die ganze Nacht hat ihr acht Monate altes Baby geweint und geschrien, sich vor Schmerzen gekrümmt mit Bauchkrämpfen und Durchfall. Die junge Mutter weiß, wie schnell ein kleines Kind durch den Flüssigkeitsverlust einen lebensbedrohlichen Zustand erreicht, aber sie hat keine Medizin, kann nur versuchen, den Kleinen zu beruhigen.

Céline Konan hat herumtelefoniert bei Verwandten und Freunden. Die Hotline des Roten Kreuzes ist auch am Donnerstagmorgen ständig besetzt. "Das ist ein Alptraum", sagt sie. Aber selbst wenn sie die Helfer endlich erreichen sollte, weiß sie nicht, ob das die ersehnte Hilfe für ihr Baby bedeutet: Das Haus, in dem die junge Frau lebt, wird von gewalttätigen Milizen kontrolliert.

Lebensmittel werden knapp, das öffentliche Leben existiert nicht mehr

So wie Céline Konan sind Hunderttausende hilflos gefangen in dem andauernden blutigen Konflikt, in dem sie nur verlieren können. Die Republikanischen Truppen des von der Internationalen Gemeinschaft anerkannten Alassane Ouattara belagern die Residenz von Laurent Gbagbo, der an der Macht festhält - und im Regierungsviertel wie auch in vielen anderen Stadtteilen der Millionenstadt leben die Menschen im Ausnahmezustand.

Die nächtliche Ausgangssperre ist nun von sechs Uhr morgens bis zwölf Uhr mittags ausgeweitet worden. Nur wenige Stunden bleiben den Abidjanern, um die immer knapper werdenden Lebensmittel zu besorgen. Aus Angst vor Plünderungen und Kämpfen wagen sich viele nur in einen Umkreis von wenigen hundert Metern um ihre Häuser und Wohnungen, in denen sie sich halbwegs sicher fühlen. Wenn sich aber auch dort bewaffnete Kämpfer verschanzt haben, ist selbst dieses Gefühl von Sicherheit zerstört.

Die öffentliche Verwaltung ist zusammengebrochen, Busse oder Taxis fahren nicht mehr. Märkte und Geschäfte sind geschlossen. An Straßenecken verkaufen ein paar fliegende Händler, was immer sie noch haben. Die Preise sind auf das Vier- oder Fünffache des normalen Preises gestiegen.

"Unsere Vorräte sind erschöpft"

Trotz aller Angst wagt sich Sita Kone noch immer auf die Straße. "Ich muss raus", sagt die Mutter einer sechsköpfigen Familie. "Wenn ich mich zu Hause verstecke, haben meine Kinder nichts zu essen und müssen vielleicht sogar sterben." "Alle unsere Vorräte sind erschöpft, es fehlt selbst an den Grundnahrungsmitteln", klagt auch die Lehrerin Fabrice Amoah.

In den Krankenhäusern werden Medikamente knapp. Internationale Hilfsorganisationen sorgen sich vor allem um Kinder, die in den Wirren von ihren Familien getrennt wurden, um kranke und geschwächte Menschen. Das Welternährungsprogramm (WFP) musste wegen der anhaltenden Unsicherheit seine Arbeit in Abidjan aussetzen.

Die UN und das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) warnen vor einer dramatischen Verschlechterung der Lebensverhältnisse in Abidjan, wo sie viele der Hilfsbedürftigen nicht erreichen können. "In manchen Krankenhäusern muss das medizinische Personal ohne fließendes Wasser und Strom arbeiten", sagte Dominique Liengme, Leiterin der IKRK-Delegation in Elfenbeinküste.

Der Ausnahmezustand trifft alle

Der andauernde Ausnahmezustand trifft alle, in den vergangenen Tagen auch zunehmend die Einwohner des Diplomaten- und Regierungsviertels Plateau, in dem die belagerte Residenz Gbagbos liegt. "Seit dem 31. März konnten wir wegen der heftigen Kämpfe nicht mehr nach draußen", sagte der japanische Botschafter Yoshifumi Okamura, der nur wenige hundert Meter entfernt lebt, der Nachrichtenagentur Kyodo.

Am Mittwoch kam es noch schlimmer: Gbagbo-Milizen stürmten die japanische Botschaftsresidenz, schossen mit schweren Waffen um sich. Anders als für Céline Konan oder Sita Kone hat der Alptraum für Okamura erst einmal ein Ende: Französisches Militär brachte ihn und seine Angestellten in der Nacht zu Donnerstag per Hubschrauber in Sicherheit.

dpa