Müssen Autofahrer bald Maut bezahlen?
CSU-Chef Horst Seehofer will die Pkw-Maut, auch die Bauindustrie macht Druck. Die Finanzierungsprobleme im Straßenbereich sind so groß, dass es nach der Wahl 2013 kaum Alternativen geben könnte. Die Technik gibt es bereits, zwei Modelle konkurrieren miteinander.
06.04.2011
Von Georg Ismar

Peter Fischer kennt seit über 20 Jahren die ganzen Flickschustereien, um die deutschen Autobahnen in Schuss zu halten. Von 1990 bis 2000 war der SPD-Politiker Verkehrsminister in Niedersachsen, heute wirbt der 69-Jährige als Präsident des Verbands Pro Mobilität für eine zukunftssichere Finanzierung des deutschen Straßensystems. Derzeit gibt es allein 26.000 Autobahn-Kilometer.

Fischer hat noch gute Drähte in die Politik hinein und bestätigt, was ein offenes Geheimnis ist in der schwarz-gelben Koalition: Wegen einer Deckungslücke von bis zu zwei Milliarden Euro pro Jahr und vieler maroder Brücken könnte eine Pkw-Maut unumgänglich werden, heißt es bei einigen Koalitionären von Union und FDP.

Der Parlamentarische Verkehrs-Staatssekretär Jan Mücke (FDP) will davon nichts wissen, bis zur nächsten Bundestagswahl 2013 schließt er es aus. "Es kann ja nicht Ziel einer Bundesregierung sein, dass sich der Pkw-Verkehr dann zum großen Teil über Bundes- und Landstraßen abwickelt und nicht auf den Autobahnen", sagt er. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) will zwar keine Denkverbote, verweist aber auf öffentlich-private Partnerschaften bei Verkehrsprojekten. Doch reicht dies sowie das Verwenden von Lkw-Mautgeldern zum Stopfen der Löcher?

Das Geld wird gebraucht

Fischer will nicht ausschließen, dass es künftig zur allgemeinen Nutzerfinanzierung kommt. Pro Mobilität versteht sich als Forum von Maut-Gegnern und Befürwortern. Noch wisse der Verkehrsminister nicht, woher er das Geld nehmen solle, so Fischer. Viele Autobahnbrücken wurden zum Beispiel in den 70er-Jahren gebaut, der Sanierungsbedarf betrage 6,8 Milliarden Euro in den nächsten Jahren.

Für 2012 sind bisher knapp 5 Milliarden Euro für den Erhalt der Bundesstraßen und Autobahnen eingeplant. "Die jetzt erkennbare statische Fortschreibung der Investitionsansätze bis 2015 führt zu einer Festlegung auf eine erhebliche Finanzierungslücke", so Fischer. Angesichts der Unterfinanzierung bekräftigt CSU-Chef Horst Seehofer, die Maut müsse kommen. In der Union hat eine Mobilitätskommission gerade die Arbeit aufgenommen, die auch die Mautfrage erörtern könnte.

Auch die deutsche Bauindustrie fordert die Ausweitung der Maut von Lkw auf Pkw. "Wie wollen wir bei dem Sparzwang der öffentlichen Haushalte sonst die Investitionen in unsere Infrastruktur sicherstellen", sagt Bilfinger-Berger-Chef Herbert Bodner. Für eine Maut gibt es prinzipiell zwei Optionen: eine streckenbezogene Gebühr wie bei der LKW-Maut und eine elektronische Vignette. Aber mögliche Anbieter betonen, sie hätten bisher keine Pläne in der Schublade.

Satellitensystem oder Vignette?

Toll Collect betreibt seit sechs Jahren das satellitengestützte Lkw-Mautsystem in Deutschland. Mit einer Genauigkeit von 99,75 Prozent, wie Sprecherin Claudia Steen betont. Anfangs gab es aber Probleme, weshalb der Bund 5,1 Milliarden Euro einklagen will. Damals führte das Tochterunternehmen vom Daimler-Konzern und der Telekom das System zu spät ein. Steen betont mit Blick auf 2010, dass es 4,5 Milliarden Euro an Einnahmen für den Bund gegeben hat, die Betriebskosten würden nur 11,5 Prozent der Einnahmen ausmachen. Es gebe eine genaue Abrechnung für jeden gefahrenen Kilometer.

Rolf Herzog, Geschäftsführer der AGES Mautsysteme, betreibt seit Herbst 2008 ein elektronisches Vignetten-System für schwere Lkw in den Benelux-Ländern, Dänemark und Schweden, das die alte Papier-Eurovignette abgelöst hat. Dabei können im Internet oder an Tankstellen Kennzeichen, Schadstoffklasse und Hubraum angegeben und elektronische Vignetten für einen Zeitraum von einem Tag bis zu einem Jahr gekauft werden. Es gibt eine Quittung, Herzog betont: "Sie können fünf Minuten später losfahren".

Ein automatischer Online-Datenabgleich kontrolliert die Bezahlung über Radarfallen. "Ist alles korrekt bezahlt, werden Bild und Daten wieder gelöscht", so Herzog. Die Betriebskosten des Systems seien "extrem gering". Bei Schwerpunktkontrollen an der Grenzen könnten auch ausländische Fahrer gut zur Kasse gebeten werden.

Das neue EU-weite Knöllchen könnte es erleichtern, die Zahl der Mautsünder zu mindern und Einnahmen zu steigern. Was könnte eine Auto-Maut kosten? Experten verweisen darauf, dass ein Auto im Schnitt 4.000 Kilometer auf Autobahnen fährt. 100 bis 200 Euro für eine Jahresvignette werden als sinnvolle Größe genannt, bei einer streckenabhängigen Erhebung seien 5 Cent pro Kilometer sinnvoll, 4.000 Kilometer würden dann den Autofahrer 200 Euro kosten.  

dpa