Von wegen Fastenzeit: Außer Haus wird weiter geschlemmt
Sieben Wochen lang ohne Fleisch, ohne Nachtisch, ohne Kaffee. Fasten ist selbst auferlegter Verzicht während der Passionszeit. Die Deutschen fasten - wenn überhaupt - still und leise für sich. Beim Essen im Restaurant wird kaum gefastet. Und wer für längere Zeit von einer Großküche zwangsverpflegt wird - im Krankenhaus oder Seniorenheim - sollte es besser gar nicht erst versuchen. Eine stichprobenartige Umfrage von evangelisch.de in christlichen Häusern hat ergeben: Gäste äußern nur selten Sonderwünsche, und Großküchen machen nur selten Angebote.
06.04.2011
Von Anne Kampf

"Keine Nachfrage, noch nie", sagt zum Beispiel Christina Tauscher vom Hotel Wartburg in Stuttgart. Die Gäste sind vorwiegend Geschäftsleute, und die essen ganz normal, auch während der Fastenzeit. Ähnlich im Kolping-Hotel am Römerturm in Köln: "Bisher keine Nachfrage nach speziellem Essen", heißt es von dort.

Doreen Neugärtner ist Restaurantleiterin im Hotel Schloss Lübbenau (Brandenburg): Sie ist es gewohnt, Sonderwünsche der Gäste zu erfüllen. "Wir richten uns danach, wenn jemand zum Beispiel keine Kohlenhydrate essen will", erklärt sie - "oder kein Fleisch". Solche Wünsche kommen in ihrem Restaurant drei- bis viermal pro Woche vor, in der Fastenzeit sogar "vermehrt", berichtet Neugärtner. Eine Ausnahme.

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Wenn Menschen auf Reisen fasten, dann gezielt zu diesem Zweck als Gruppe. Hin und wieder melden sich solche Gruppen im Krelinger Freizeit- und Tagungszentrum Walsrode (Niedersachsen) an. Dann bereitet Küchenchef Norbert Schienke für die Gäste morgens Tee und mittags Hefesuppe zu, abends reicht er ein Glas Saft. Nach der Fastenwoche kommt dann wieder etwas mehr auf den Teller: "Kartoffelbrei und rohe Äpfel". Auch der Leiter des Feriendorfes Tieringen auf der Schwäbischen Alb, Bernhard Deyhle, erzählt von Gruppen, die eine Woche lang nur von Gemüsesuppe leben. "Wir gehen auf die Wünsche ein", sagt Deyhle.

Diäten, Allergien und Öko-Sonderwünsche

Anika Lietze, die Leiterin des Evangelischen Jugenderholungsdorfes Sankt Peter-Ording an der Nordsee kennt Sonderwünsche an die Küche ebenfalls nur Gruppenweise - wenn auch aus nicht unbedingt religiösen Gründen. "Wir hatten zum Beispiel mal 400 Greenpeace-Leute hier", erzählt sie. "Die wollten Fleisch aus artgerechter Haltung und lehnten Milchprodukte einer bestimmten Firma ab." Das ist kein Problem für die Hauswirtschaft - kostet aber unter Umständen einen Aufpreis.

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Sonderwünsche an die Küche hängen also selten mit der Fastenzeit zusammen. Eher - wie bei der Greenpeace-Gruppe - mit ökologischen Grundsätzen oder mit gesundheitlichen Problemen. Jürgen Witt, Küchenchef in der Evangelischen Jugend- Freizeit- und Bildungsstätte Koppelsberg in Plön (Schleswig-Holstein), muss immer wieder auf Diäten und Allergien der Gäste eingehen. "Für solche Sonderwünsche stehen wir offen", betont er. Aber fasten? Das gibt es kaum.

Jörg Holzinger macht dieselbe Erfahrung, er ist Küchenchef im Jugendgästehaus Hauptbahnhof in Berlin. "Kinder fasten nicht", sagt er. Bisher sei jedenfalls kein solcher Wunsch geäußert worden - und wenn es doch mal vorkommen sollte, "dann essen die eben Salat oder Gemüse". Holzinger sieht die Sache pragmatisch und kocht das, was gegessen wird: "Eher Nudeln mit Soße statt Schweinebraten", so seien eben die Vorlieben der jungen Gäste.

Kirchen-Gäste in Villigst essen gern viel

Immerhin gibt es zumindest einen Küchenchef mit der Vision einer christlichen Fastenzeit im Tagungshaus: Es ist Herbert Hüggenberg, sein Arbeitsplatz ist die Küche von Haus Villigst in Schwerte (Ruhrgebiet), er bekocht meistens kirchliche Tagungsgäste. "Ich hab mal versucht, Fastenmenüs einzuführen. Bin aber kläglich gescheitert", seufzt er. Seine Idee: Einfache Kartoffelgerichte oder Aufläufe, kein Dessert, kein Kaffee, kein Saft. "Das ist leider nicht durchgekommen. Schade." Herbert Hüggenberg hat die Fastenmenüs aufgegeben.

Auch in evangelischen Seniorenheimen bleibt die christliche Fastenzeit weitgehend unbeachtet. Es gibt wie immer Vollkost mit Fleisch und Nachtisch. Auch den meisten Küchen kommt die Antwort: "Die Senioren wünschen sich keine Fastenmahlzeiten." Manchen Hauswirtschaftsleitungen fällt zum Thema Fasten gerade noch ein: "Freitags gibt es immer Fisch." Und Koch Henry Schellenberg von Evangelischen Altenheim Ludwigsburg (Baden-Württemberg) verweist darauf, dass er meistens auch ein vegetarisches Gericht auf dem Speiseplan hat - was bei den Bewohnern sehr gut ankomme. Doch mit Fasten hat das nichts zu tun.

Immerhin: Brezeln und leichte Suppe in der Karwoche

Endlich - nach langer Suche - findet sich ein Altenheim, in dem zumindest ein bisschen gefastet wird: Das Evangelische Seniorenzentrum "Haus Abendfrieden" in Angermünde (Brandenburg). Hier spielt der kirchliche Jahreskreis eine Rolle, die Küche hat den Speiseplan für die Karwoche schon geschrieben: "Fastenbrezeln" steht zum Beispiel drauf. Am Gründonnerstag gibt es eine leichte Suppe, am Karfreitag fleischloses Essen (aber nur für die, die es wollen), und an Karsamstag werden die Senioren mit Eintöpfen verpflegt.

Sollte man alten und kranken Menschen überhaupt raten, zu fasten? Bernd Knipper ist da skeptisch. Er ist als "Betriebsleiter Gastronomie" bei der Diakonie in Südwestfalen für 1,5 Millionen Mahlzeiten im Jahr zuständig, vorwiegend für das Diakonie-Klinikum Jung-Stilling in Siegen (Nordrhein-Westfalen) und für mehrere Altenheime im Umkreis. Knipper sagt: "Bei alten und kranken Menschen kann Fasten gesundheitlich gefährlich sein." Und die Gesundheit gehe vor.

Wer unbedingt Verzicht üben will, bekommt von Knipper den Tipp: Mittags das vegetarische Gericht wählen. Ansonsten: Bitte zugreifen! Das gilt erst Recht an den Osterfeiertagen. Dann haben sich besonders die Senioren in Angermünde (die ja ein wenig gefastet haben) ein besonderes Festessen verdient: Am Ostersonntag gibt es Lamm, am Ostermontag wahrscheinlich Wild. Der Koch denkt noch darüber nach.


Anne Kampf ist Redakteurin bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Gesellschaft und Politik.