Der Machtbereich von Laurent Gbagbo ist inzwischen auf die Ausmaße des Präsidentenpalastes geschrumpft. Hier harrt der abgewählte Präsident der westafrikanischen Elfenbeinküste mit Familienmitgliedern und wenigen verbliebenen Getreuen aus. Gbagbo weigert sich seit Ende November, die Macht zu übergeben.
Draußen vor dem Präsidentenpalast haben die Truppen des - von der internationalen Gemeinschaft anerkannten - Präsidenten Alassane Ouattara das Sagen, unterstützt von UN-Friedenstruppen und französischem Militär. "Wir werden ihn aus seiner Residenz herausholen", sagte ein Truppensprecher des gewählten Präsidenten Alassane Ouattara.
Gbagbo will die Wirklichkeit nicht wahr haben
Die wichtigsten und treuesten Generäle Gbagbos hatten ihren Truppen am Dienstag befohlen, den Kampf einzustellen. Doch das alles ist eine Wirklichkeit, die Gbagbo nicht wahrhaben will. "Ich gebe nicht auf", betonte er in Interviews mit französischen Medien. "Ich bin der gewählte Präsident der Elfenbeinküste." Wenn sein Volk ihn nicht mehr wolle, solle es ihn doch einfach abwählen.
Genau dies ist nach Angaben der unabhängigen Wahlkommission im vergangenen November passiert. In Wahlen, die Beobachter als überwiegend korrekt eingestuft hatten, hatte Ouattara 54 Prozent der Stimmen gewonnen.
Die Verhandlungen über eine Feuerpause, so Gbagbo, hätten rein gar nichts mit einer Übergabe der Macht zu tun. Er wolle vielmehr klären, warum die Vereinten Nationen und Frankreich seine Stellungen bombardiert hätten. Gbagbo stellt sich als Opfer einer internationalen Verschwörung dar, warnt vor einem "zweiten Ruanda".
Der Absturz des von einer Rakete getroffenen Flugzeugs des ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana markierte vor fast genau 17 Jahren den Anfang des Völkermords an mindestens 800.000 Tutsi und gemäßigten Hutu. Ethnische Gewalt droht in der Tat auch in Elfenbeinküste. Geschürt wird sie vorwiegend von Gbagbos Anhängern - nicht erst seit Beginn des Machtkonflikts in dem westafrikanischen Staat. Denn es waren insbesondere Einwanderer aus den Nachbarstaaten, vor allem aus Burkina Faso, die in den vergangenen Jahrzehnten Kakaoproduktion und -handel in Elfenbeinküste aufbauten. Das Land ist nun der weltweit größte Kakaoproduzent.
Angst vor der Destabilisierung der Region
Der Neid auf den wirtschaftlichen Erfolg der oft muslimischen "Ausländer" und Fremdenhass spielten schon Ende der neunziger Jahre in Wahlkampagnen eine Rolle. Gbagbo und Ouattara waren schon damals Konkurrenten. Auch im 2003 beendeten Bürgerkrieg ging es um den Gegensatz zwischen dem muslimischen Norden und dem christlichen Süden, den "echten" Ivorern und den Einwanderern, die oft in der dritten Generation in der Elfenbeinküste lebten.
Die Wahlen im vergangenen November sollten diese Teilung überwinden, Frieden und Stabilität schaffen, stattdessen wurde das Land zurück in den überwunden geglaubten Konflikt katapultiert. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch waren im März Dutzende Einwanderer aus Burkina Faso und Mali Opfer eines Massakers geworden, das Gbagbo-Milizen verübt haben sollen. Zuvor waren bereits Zehntausende vor ethnischer Gewalt geflohen. Die Berichte über Angriffe und Hassparolen lösen vor allem in den Herkunftsländern der Immigranten Besorgnis aus.
Nicht nur die westafrikanische Staatengruppe Ecowas, auch Experten der International Crisis Group warnen vor einer gefährlichen Destabilisierung, die die gesamte Region erfassen könnte. Schon jetzt gibt es Berichte über liberianische Söldner, die für beide Seiten kämpfen. Und für seine Anhänger ist Gbagbo, der Verhandlungen über eine Übergabe der Macht ablehnt, ein Märtyrer für eine gute Sache.
"Nur noch eine Frage von Stunden"
Lange wird er sich aber nicht mehr verschanzen können. Frankreich, das die UN-Mission in der Elfenbeinküste militärisch anführt, will Druck machen. Gbagbo müsse die Realität akzeptieren, sagte der französische Außenminister Alain Juppé am Mittwochmorgen dem Radiosender France Info. Derzeit hoffe er allerdings, dass neue Militäraktionen vermieden werden könnten. Die Rücktrittsweigerung Gbagbos kritisierte Juppé scharf. "Diese Starrköpfigkeit ist absurd. Gbagbo hat keinerlei Perspektive mehr. Alle Welt hat ihn fallen gelassen", sagte der Außenminister der ehemaligen Kolonialmacht. Der Präsident könne nur noch über Bedingubgen für den Rücktritt verhandeln. Frankreich habe die Vereinten Nationen aufgefordert, Gbagbo und seiner Familie körperliche Unversehrtheit zuzusichern.
Der französische Admiral Edouard Guillaud sagte dem Sender Europe 1, neue Einsätze im Auftrag der Vereinten Nationen seien möglich. Seiner Einschätzung nach sei das Ende der Ära Gbagbo aber nur noch "eine Frage von Stunden".
Wie es danach weitergeht, bleibt abzuwarten. "Das wichtigste ist (...) die nationale Aussöhnung, die Bildung einer nationalen Einheit", sagte Frankreichs Außenminister Juppé. Für den wirtschaftlichen Wiederaufbau werde es wichtig sein, die Sanktionen gegen das Land zu lockern. Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union waren sich einig, dass Wiederaufbau und Aussöhnung unter dem gewählten Präsidenten Ouattara passieren müssten. Der abgewählte Präsident Laurent Gbagbo müsse zurücktreten, dies sei der "einzige Ausweg aus der Krise", erklärte Ashton am Dienstagabend.