Hinter den Einwohnern Abidjans liegt eine weitere schlaflose Nacht, in der sie Geschützfeuer und den Nachrichten lauschten. Doch viereinhalb Monate nach Beginn des blutigen Machtkonflikts im westafrikanischen Elfenbeinküste keimt in der Millionenmetropole am Dienstag die Hoffnung, dass das Kämpfen bald, vielleicht schon in Stunden, ein dauerhaftes Ende finden könnte.
Denn nun rücken selbst Armeeführung und Minister von Laurent Gbagbo ab, dem abgewählten Präsidenten, der sich seit Ende November an die Macht klammert. Die Oberkommandierenden der Armee, der Polizei und der Präsidentengarde verständigten die UN-Friedensmission UNOCI über den Waffenstillstand, den sie ihren Truppen befohlen hätten. Die Soldaten sollten ihre Waffen den UN-Blauhelmen übergeben.
Und tatsächlich, am Nachmittag waren nur noch vereinzelte Schüsse in der Umgebung des Präsidentenpalastes zu hören. Gbagbo soll sich mit seiner Familie und einigen wenigen verbliebenen Anhängern im Bunker seiner Residenz verschanzt haben. Doch Abidjan ist eine Stadt, die von den Kämpfen der vergangenen Tage schwer gezeichnet ist. In der Umgebung des staatlichen Fernsehsenders RTI liegen Leichen - teils verbrannt, teils in fortgeschrittenem Stadium der Verwesung. Der Leichengeruch hält selbst die hungrigen streunenden Hunde auf Abstand.
Dies ist der Anfang vom Ende
"Ich kann kaum glauben, dass ich noch lebe", sagt Ama Kouadio, die nahe der der Akouedo-Kasernen lebt. Das Militärgelände war von UN- und französischen Truppen bombardiert worden. Sita Kone hat sich wie viele Einwohner Abidjans in ihrer Wohnung verbarrikadiert. Nur wenn es unbedingt sein muss, ist sie in den vergangenen Tagen auf die Straße gegangen. "Aber ich brauche doch Lebensmittel für meine Familie", sagt die Mutter einer sechsköpfigen Familie.
Seit die republikanischen Truppen des gewählten Präsidenten Alassane Ouattara in der vergangenen Woche immer mehr Städte unter ihre Kontrolle gebracht und einen Belagerungsring um Abidjan geschlossen hatten, schien klar: Dies ist der Anfang vom Ende. Es konnte sich nur um eine Frage der Zeit handeln, bis das international isolierte Gbagbo-Regime die Waffen strecken muss.
Doch wie lang diese Zeit dauert, ist unklar. In den vergangenen Tagen war das Warten und Ausharren in der Hafenstadt quälend geworden. Die Menschen wagten sich während der Kämpfe kaum auf die Straße, die Versorgung mit Lebensmitteln wurde immer schwieriger. Eine Million Menschen, ein Fünftel der Einwohner, war seit Beginn des Konflikts aus Abidjan geflohen. In den vergangenen Wochen stiegen die Preise für die ersehnten Busfahrscheine in sichere Gebiete auf ein Vielfaches der üblichen Tarife an.
Vielen fehlte schlicht das Geld zur Flucht. Die Banken sind seit Monaten geschlossen, Gehälter können nicht mehr ausbezahlt werden und viele Menschen haben ihre gesamten Bargeldreserven aufgebraucht. "Ich hoffe, dass sich nun doch noch alles zum Guten wendet", zeigte sich ein Abidjaner am Dienstag vorsichtig optimistisch. "Genug ist genug!", betont auch der Lehrer Fabrice Amoah. "Wir haben nichts mehr zu essen, alle Vorräte sind erschöpft. Nun hoffen wir nur noch auf ein glückliches Ende."