Charlotte Salzberger begegnete Adolf Eichmann im Januar 1945 im KZ Ravensbrück. Der Organisator der Judenvernichtung rief die junge Frau zu sich, um ihr mitzuteilen, dass sie und ihre Schwester in das KZ Theresienstadt weiterdeportiert werden. In dem Gespräch drohte Eichmann ihr mit dem Tod, sollte sie über ihre Erlebnisse in Ravensbrück berichten. "Er benutzte den Ausdruck: 'Dann werden Sie durch den Schornstein gehen'", erinnert sich die spätere Jerusalemer Bürgermeisterin 1961 vor Gericht noch genau an seine Worte.
Salzberger war eine von mehr als 100 Zeitzeugen, die vor dem Jerusalemer Bezirksgericht gegen den Leiter des Referats für "Judenangelegenheiten" im Reichssicherheitshauptamt aussagten. Die Frauen und Männer stehen im Mittelpunkt einer Ausstellung in der Berliner "Topographie des Terrors", die von Mittwoch an dort zu sehen ist, wo einst Gestapo, SS-Führung und später auch das Reichssicherheitshauptamt ihren Standort hatten.
"Dann gehen Sie durch den Schornstein"
Der Eichmann-Prozess sei der "Beginn des Redens über den Holocaust" gewesen, sagt Ausstellungskurator Ulrich Baumann. Zu den Menschen, die Eichmann begegneten, gehörte auch der Berliner evangelische Propst Heinrich Karl Ernst Grüber, der den SS-Obersturmbannführer als "Landsknecht-Typ" charakterisierte: Jemand, "der mit seiner Uniform, die er anzieht, das Gewissen und den Verstand ablegt". Grüber unterstützte in der NS-Zeit im Untergrund lebende Juden und Christen.
Neben Zeugen, die Eichmann einst selbst erlebten, sagten auch ehemalige KZ-Häftlinge in dem Prozess aus. Die Befragung der Zeitzeugen könne heute gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, sagte die zweite Ausstellungskuratorin Lisa Hauff. "Die Enttabuisierung, das Sprechen über den Holocaust, hätte sonst später stattgefunden." Das Verfahren wurde auf der ganzen Welt beobachtet. Davon zeugen unter anderem Zeitungen und Magazine auf Deutsch, Englisch und Hebräisch, die in der Ausstellung gezeigt werden. Es war "Eine Epoche vor Gericht", so der Titel einer NDR-Sendung, in der regelmäßig in der ARD über den Prozess berichtet wurde.
Am 11. April 1961 wurde das Verfahren eröffnet. Vorgeworfen wurden Eichmann 17 Straftaten in Bezug auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbrechen gegen das jüdische Volk, Kriegsverbrechen und Mitgliedschaft in einer feindlichen Organisation. Am 15. Dezember verkündete das Jerusalemer Bezirksgericht das Todesurteil. Nach erfolgloser Revision und einem abgelehnten Gnadengesuch wurde das Urteil am 31. Mai 1962 vollstreckt.
Er bestritt, Antisemit gewesen zu sein
Die Ausstellung in Berlin, die bis zum 18. September zu besichtigen ist, schildert nicht nur den Prozess, sondern auch Eichmanns Werdegang von der Kindheit in Österreich bis zum "Spediteur des Todes". Aufgebaut ist die 320 Quadratmeter große Dokumentation wie ein Gerichtssaal: Auf der einen Seite kann man den Zeugen lauschen, auf der anderen ist Eichmann zu hören, wie er bestreitet, jemals Antisemit gewesen zu sein.
In der Mitte stehen symbolisch die Richter, laut Hauff "die Helden des Prozesses", die trotz aller geschilderten Grausamkeiten sachlich, besonnen und Eichmann gegenüber höflich verhandelten. Eingerahmt wird die Szenerie von Bildern des Grauens und dem internationalen Echo auf den Prozess, die zugleich aus der Geschichte in die Gegenwart weisen. Die Ära des Zeitzeugen, die vor 50 Jahren begann, habe heute einen festen Platz in der Geschichtsschreibung und Geschichtsvermittlung, so Baumann.
Die Ausstellung "Der Prozess - Adolf Eichmann vor Gericht" ist bis zum 18. September täglich von 10 bis 20 Uhr in der "Topographie des Terrors" zu sehen.