In einer Reaktorwand des havarierten Atomkraftwerks Fukushima klafft ein 20 Zentimeter langer Riss, aus dem radioaktives Wasser ins Meer sickert. Dort wurde eine Strahlung von mehr als 1000 Millisievert pro Stunde gemessen, wie der Fernsehsender NHK am Samstag unter Berufung auf den AKW-Betreiber Tepco meldete.
Unterdessen reiste Ministerpräsident Naoto Kan drei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben mit anschließendem Tsunami mit inzwischen mehr als 11 800 Toten erstmals in das Krisengebiet. Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) traf in Tokio zu einem Kurzbesuch ein. Damit will die Bundesregierung ihre Unterstützung für Japan zum Ausdruck bringen.
Die Radioaktivität direkt am Leck ist "lebensbedrohlich"
Am AKW Fukushima Eins kämpfen die Arbeiter weiter gegen den Super-GAU. Nach NHK-Angaben fand sich der nun entdeckte Riss in der Wand einer zwei Meter tiefen Grube für Stromkabel unter Block 2. Darin stand das Wasser laut Tepco 10 bis 20 Zentimeter hoch. Der japanische Energiekonzern wolle das Leck mit Beton dichten, hieß es weiter.
Greenpeace-Experte Wolfgang Sadik bezeichnete die gemessenen Werte als "lebensbedrohlich". Die Umweltorganisation sei zudem beunruhigt, weil nach Angaben aus Japan außerhalb der Reaktoren wohl auch nach Zirkonium gesucht werde. Das Element sei in den Brennelemente-Hüllen enthalten. "Wenn man danach sucht, heißt das, man sucht nach Spuren des geschmolzenen Kerns", sagte Sadik.
Um das verseuchte Wasser in der Anlage zu beseitigen, soll die Flüssigkeit unter den Turbinengebäuden in einen Tank geleitet werden, meldete die Nachrichtenagentur Jiji Press. Das radioaktive Wasser behindert die Versuche, das Kühlsystem des AKW in Gang zu bringen. An diesem Sonntag sollen zudem Tests zum Besprühen der Anlage mit Harz zur Eindämmung der Strahlen fortgesetzt werden. Das Ergebnis eines ersten Versuchs wurde am Samstag noch geprüft.
Japanischer Regierungschef besucht Tsunami-Opfer
Unterdessen sagte Regierungschef Kan den Überlebenden der Katastrophe und ihren Helfern seine volle Unterstützung zu. "Es ist ein etwas langer Kampf, aber die Regierung wird Ihnen bis zum Ende beistehen und ihr Bestes tun, bleiben auch Sie bitte zäh", sagte Kan vor Feuerwehrmännern in der vom Erdbeben und dem Tsunami schwer verwüsteten Stadt Rikuzentakata in der Präfektur Iwate.
Zuvor sprach Kan in einer Notunterkunft in einer Grundschule Opfern Mut zu und versprach die Hilfe der Regierung. Einer der anwesenden Obdachlosen warf Kan vor, dass er erst jetzt in die Region komme. In einigen Lagern gebe es auch nach drei Wochen noch keine Strom- und Wasserversorgung, wurde ein 45 Jahre alter Fischer bei Kans Besuch zitiert. Der Premier solle sich diesen Problemen widmen.
Anschließend stand eine Besichtigung der Operationsbasis "J- Village" auf dem Programm des Ministerpräsidenten. Das ist ein Sportplatz etwa 20 Kilometer von dem havarierten Atomkraftwerk Fukushima Eins entfernt. Auch dort wollte Kan mit Soldaten und anderen Rettungskräften sprechen.
Regierungssprecher Yukio Edano sagte über die eintägige Reise, es sei sehr wichtig für den Regierungschef, sich selbst im Krisengebiet persönlich ein Bild zu machen und mit den Betroffenen zu sprechen. Parallel kam Außenminister Westerwelle in Japan an, um Deutschlands Solidarität mit den Japanern zum Ausdruck bringen.
Soldaten aus USA und Japan suchen weiter nach Vermissten
Unterdessen setzten tausende Soldaten aus Japan und den USA mit anderen Helfern ihre Suchaktion nach Vermissten im Gebiet der schwer zerstörten Stadt Ishinomaki in der Provinz Miyagi fort. Sie konzentrierten sich am zweiten von drei geplanten Tagen auf das Gebiet um eine Grundschule, wo viele Schüler von dem Tsunami erfasst worden waren. Taucher suchten auch einen Fluss in der Umgebung ab.
Drei Wochen nach der Flutwelle, die an einigen Orten 20 Meter hoch war, wurden nach Polizei angeben noch 15.540 Menschen vermisst. Genau 11.828 Tote seien bisher gezählt worden, hieß es am Samstag.
Nach Angaben des Bundesamts für Strahlenschutz steigt das Risiko an Krebs zu erkranken um zehn Prozent, wenn man eine Stunde lang mit 1.000 Millisievert oder 1 Sievert bestrahlt wird. Bei einer mehrstündigen Belastung drohe die Strahlenkrankheit - etwa mit Erbrechen, Übelkeit und Haarausfall als ersten Symptomen.