Chaos in der FDP: Homburger will kein "Bauernopfer" sein
In der FDP wächst die Distanz zu Parteichef Guido Westerwelle. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Fraktionschefin Birgit Homburger rücken von ihm ab. Homburger sagte, sie wolle kein "Bauernopfer" für Westerwelle sein. Dieser ist offenbar zum Rückzug vom Parteivorsitz bereit. Die FDP will die Entscheidung über ihr künftiges Führungsteam offenbar bereits am Montag treffen. Unterdessen geht das Stimmengewirr bei den Liberalen in Sachen Atompolitik weiter.

Homburger sagte der "Rheinischen Post" (Freitag): "In der Tat können wir nicht so weitermachen wie bisher: Wir müssen alles auf den Prüfstand stellen, sowohl inhaltlich wie personell." Wenn sie von "alles" spreche, meine sie damit selbstverständlich auch den Parteivorsitzenden. Sie selbst werde auch in ihrer Funktion als FDP-Landesvorsitzende in Baden-Württemberg weitermachen. "Ich wurde massiv gebeten, jetzt nicht von Bord zu gehen", sagte Homburger. Weder als FDP-Landeschefin noch als Fraktionsvorsitzende in Berlin stehe sie als "Bauernopfer" für einen Verbleib Westerwelles an der Parteispitze zur Verfügung.

Zuvor hatte in der FDP-Führungsdebatte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Druck auf Westerwelle erhöht. "Keiner sollte an seinem Posten kleben", sagte die bayerische FDP-Vorsitzende dem "Münchner Merkur" (Freitag). Westerwelle habe ein gutes Gespür für die Lage der Partei. "Da gibt es ein erhebliches Grummeln an der Basis."

Entscheidung fällt früher

Die FDP-Spitze erwägt laut "Süddeutscher Zeitung", die Entscheidung über ihre Führungsmannschaft und damit das Schicksal von Westerwelle bereits am kommenden Montag zu fällen. Es sei denkbar, dass das Parteipräsidium schon am 4. und nicht erst am 11. April über eine inhaltliche und personelle Neuaufstellung berate, berichtet das Blatt unter Berufung auf Parteikreise. Westerwelle sei bereit, sein Vorsitzendenamt auf dem Bundesparteitag in Rostock im Mai abzugeben, wenn sich ein geeigneter Nachfolger finde. Er wolle aber auf alle Fälle Außenminister bleiben.

Leutheusser-Schnarrenberger forderte ein geordnetes Prozedere bei einem Führungswechsel: "Wichtig ist, dass wir fair miteinander umgehen. Wir dürfen keinen Scherbenhaufen hinterlassen." Auf die Frage, ob Westerwelle auch als Außenminister infrage stehe, sagte sie: "Nein, wir reden jetzt nur über die Erneuerung der Parteispitze." Als mögliche Nachfolger Westerwelles gelten FDP-Generalsekretär Christian Lindner und Gesundheitsminister Philipp Rösler.

Fraktionschefin widerspricht Lindner

In der Frage der schnellen Stilllegung alter Atomkraftwerke driftet die FDP unterdessen immer weiter auseinander. Homburger distanzierte sich in der "Rheinischen Post" von Lindners Forderung, die acht im Rahmen des Moratoriums stillgelegten Atommeiler nie mehr als Netz gehen zu lassen: "Das kann, muss aber nicht das Ergebnis sein." Lindner habe nur "in der laufenden Debatte seine Position formuliert", sagte Homburger. Die Diskussion müsse "viel gründlicher geführt werden. Mit mir wird es auf keinen Fall eine Lösung geben, bei der wir Strom aus unsichereren ausländischen Kernkraftwerken importieren."

Die Koalition von Union und FDP hat sich nach einem Bericht der "Leipziger Volkszeitung" (Freitag) derweil bereits grundsätzlich auf ein Abschalten von alten Atomreaktoren verständigt. Auf dem internen Dienstags-Treffen der Partei- und Fraktionsspitzen im Kanzleramt sei eine "Grundsatzvereinbarung» besprochen und für gut befunden worden, bestätigten Teilnehmer der Zeitung. Danach werde der Wiederbetrieb der sieben Alt-Reaktoren plus des Meilers bei Krümmel nach Ablauf des Moratoriums ausgeschlossen.

dpa