Zu Beginn der Koalitionsverhandlungen in Baden-Württemberg hat der künftige Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) das geplante grün-rote Bündnis als ideale Kombination gepriesen. Das zeige sich daran, dass gar keine Sondierung nötig gewesen sei. "Es hat sich einfach so zwischendurch ergeben, dass wir koalieren. Das ist doch fast eine Liebesheirat", sagte der Grünen-Fraktionschef am Donnerstag nach der ersten Runde der Gespräche in Stuttgart.
"Politik des Gehörtwerdens"
Kretschmann und SPD-Landeschef Nils Schmid betonten, sie wollten einen neuen Regierungsstil pflegen und bei all ihren Reformen die betroffenen Bürger einbinden. Schmid will in der neuen Regierung Superminister werden. Kretschmann sagte, die Überschrift der grün-roten Regierung solle heißen: "Die Politik des Gehörtwerdens." Grüne und SPD wüssten, dass die Übernahme der Führung des Landes nach knapp 58 Jahren CDU-Dominanz eine große Herausforderung sei. "Wir werden das entschlossen, aber auch behutsam angehen."
Der designierte grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann (links) und der mögliche Superminister Nils Schmid (SPD). Foto: dpa / Bernd Weißbrod
Schmid lobte den Geist des ersten Gesprächs und sagte: "Als Überschrift gefällt mir 'Fast eine Liebesheirat' fast besser." Die SPD sei sich mit den Grünen einig, dass bisher in Baden-Württemberg nicht alles falsch gelaufen sei. Die Schwerpunkte von Grün-Rot seien wirtschaftliche Stärke, sozialer Zusammenhalt und ökologische Erneuerung. Mit Blick auf das Streitthema Stuttgart 21 sagte Schmid: "Wir sind uns einig gewesen, dass wir die Punkte, wo es Reibung gibt, (...) in einem genau so guten Geist behandeln werden." Die Grünen sind gegen den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation, die SPD mehrheitlich dafür. Im Wahlkampf hatten beide dafür plädiert, dem Volk das letzte Wort zu geben.
Die Koalitionsverhandlungen sollen bis zum 27. April abgeschlossen sein. Am 12. Mai soll der Landtag Kretschmann zum Ministerpräsidenten wählen. Grüne und SPD wollen sich noch sieben Mal in großer Runde mit je acht Unterhändlern treffen. Dazwischen sollen Arbeitsgruppen die Detailfragen klären. Am kommenden Montag kommt das Thema Haushalt und Finanzen als erstes auf die Tagesordnung. Schmid hatte bereits angekündigt, dass die Koalition einen Kassensturz anstrebe. Über die Verteilung der Ministerposten wurde noch nicht verhandelt.
Schmid strebt ein Superministerium an. Der SPD-Landeschef wolle die Ressorts Wirtschaft und Finanzen bündeln, hieß es in Parteikreisen. Die SPD möchte Regierungschef Kretschmann einen möglichst starken Minister gegenüberstellen. Zudem hieß es, als Finanzminister sei Schmid nur für eher unpopuläre Maßnahmen zuständig. Mit dem Ressort Wirtschaft könne er auch andere Akzente setzen. Damit wird ein Wechsel des am Dienstag im Amt bestätigten Fraktionschefs Claus Schmiedel ins Kabinett eher unwahrscheinlich. Ein SPD-Sprecher sagte allerdings: "Sämtliche Personalspekulationen bis kurz vor Ende der Koalitionsverhandlungen sind Unfug."
Kein Machtkampf um EnBW-Einfluss
Um den Einfluss bei der Energie Baden-Württemberg (EnBW) gibt es nach den Worten Kretschmanns keinen Machtkampf. Mit den Oberschwäbischen Elektrizitätswerken (OEW) - dem zweiten großen EnBW-Anteilseigner neben dem Land - bestehe Einvernehmen, dass man an einem Strang ziehe, sagte der Grünen-Fraktionschef: "Ich habe heute mit den Landräten gesprochen. Wir gehen nicht auf Konfrontationskurs. Auch von den Landräten habe ich nichts anderes gehört." Bei den OEW hatte es Bestrebungen gegeben, ihren Anteil von derzeit 45 Prozent auf künftig 50,1 Prozent aufzustocken. Die OEW gehören mehreren Landkreisen und kommunalen Gebietskörperschaften im Südosten Baden-Württembergs.
Die am Sonntag abgewählte schwarz-gelbe Regierung mit Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hatte Ende 2010 für knapp 5 Milliarden Euro vom französischen Stromriesen EdF die Landesanteile an der EnBW zurückgekauft. Im Gegensatz zu CDU und FDP will Grün-Rot die Atomkraftwerke so schnell wie möglich abschalten. Die Stromversorgung in Baden-Württemberg wurde bisher zur Hälfte über Atomkraftwerke der EnBW gedeckt.