TV-Tipp des Tages: "Freilaufende Männer" (ARD)
In der Kömodie "Freilaufende Männer" begeben sich drei Männer auf die Reise in die schwedische Wildnis, auf der Suche nach Elchen und der Lösung ihrer Lebensbrüche.
30.03.2011
Von Tilmann P. Gangloff

"Freilaufende Männer", 30. März, 20.15 Uhr im Ersten

Komödien mit Tiefgang haben im Fernsehen Seltenheitswert: Slapstick und Comedy sind viel leichter zu handhaben als ein Stoff, bei dem unter der heiteren Fassade die Abgründe des Selbstzweifels lauern. Um so bemerkenswerter ist diese preisverdächtige WDR-Produktion.

Der frühere Filmkritiker Gernot Gricksch hat für diese Produktion seinen eigenen Roman adaptiert, was nie leicht ist, weil der entsprechende Prozess vor allem aus vielen Abschieden besteht. Naturgemäß wirken seine drei Titelhelden nun etwas prototypisch, aber auf diese Weise findet jeder Mann einen Charakterzug, an dem er andocken kann: Malte (Fritz Karl) ist der Kindskopf, der sich weigert, erwachsen zu werden, obwohl er bald Großvater wird. Thomas (Wotan Wilke Möhring) ist das Gegenteil von Lockerheit, ein hypochondrischer, hyperventilierender Angsthase, dem das Leben davonläuft, während er seinen Träumen nachhängt. Auch Jens (Mark Waschke), der Pfennigfuchser, führt ein Dasein in stiller Verzweiflung, ist als Fahrlehrer gestrandet und lebt die letzten Reste von Rebellion aus, indem er seine Frau betrügt. Als das Trio gemeinsam Urlaub in Schweden macht, untergräbt die Realität nach und nach die Ferienstimmung: Luftikus Malte steht vor der Insolvenz, Thomas wird immer wieder von Panikattacken heimgesucht, und Jens muss endlich Farbe bekennen, denn seine Geliebte (Jördis Triebel) ist ihm nachgereist und will eine Entscheidung.

Matthias Tiefenbacher ist genau der richtige Regisseur für diese Geschichte. Die situationskomischen Momente inszeniert er mit wunderbarem Gespür, die Darsteller führt er formidabel; und trotzdem vermittelt die Geschichte bei aller Ausgelassenheit stets eine zweite Ebene. Dank Tiefenbacher lacht man nicht über die drei großen Jungs am Rande des Nervenzusammenbruchs, sondern mit ihnen. "Freilaufende Männer" ist daher das perfekte Pendant zu Doris Dörries Grimme-preisgekrönter ZDF-Serie "Klimawechsel". Doch während die Damen satirisch überhöhte Zerrbilder waren, stecken Grickschs Kindsköpfe in jedem Mann. Außerdem richteten sich Dörries Frauengeschichten in erster Linie an Zuschauerinnen, am besten auch noch solche in ähnlichem Alter und von gleicher Intellektualität.

Tiefenbachers Komödie aber erheitert dank ihres Facettenreichtums, der vielen lauthals komischen Momente und der ausgefeilten Dialoge Männer wie Frauen jeden Alters. Dank Jördis Triebel und der für die deutsche Film- und Fernsehbranche unbedingt zu entdeckenden Schwedin Lisa Werlinder sind die Damen zudem bestens repräsentiert. Die coolste Rolle hat allerdings Filip Peeters, der den drei Freunden als entspannter Aussteiger immer wieder die Show stiehlt.


Der Autor unserer TV-Tipps, Tilmann P. Gangloff, setzt sich seit über 20 Jahren als freiberuflicher Medienkritiker unter anderem für "epd medien" und verschiedene Tageszeitungen mit dem Fernsehen auseinander. Gangloff (geb. 1959) ist Diplom-Journalist, Rheinländer, Vater von drei Kindern und lebt am Bodensee. Er gehört seit Beginn der 1990er Jahre regelmäßig der Jury für den Adolf-Grimme-Preis an und ist ständiges Mitglied der Jury Kinderprogramme beim Robert-Geisendörfer-Preis, dem Medienpreis der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).