34-Jährige sorgt für frischen Wind beim "Wort zum Sonntag"
Knapp zwei Millionen Menschen sehen Nora Steen aus Hildesheiman diesem Samstag zum ersten Mal im Fernsehen. Am Abend gegen halb elf taucht die blonde Pastorin mit dem freundlichen Lächeln auf dem Bildschirm auf. Nach eineinhalbjährigem Auswahlverfahren ist Steen eine von acht Sprechern beim "Wort zum Sonntag" in der ARD.
28.03.2011
Von Petra Neu

"Das ist schon eine Herausforderung. Schließlich sollen die Leute dran bleiben und nicht wegzappen", sagt die 34-Jährige Pastorin der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Sie soll frischen Wind in die altehrwürdige Sendung der ARD bringen. Die Katastrophe in Japan hat für Steen die neue Aufgabe jedoch in ein anderes Licht gerückt.

Sie findet es schwer, Worte zu finden angesichts von Ereignissen, die eigentlich sprachlos machen. "Das Gesagte soll ja nicht banal klingen." Dazu kommt die Situation vor der Kamera: "Beim Gottesdienst kriege ich direkte Rückmeldung, wenn jemand zum Beispiel den Kopf schüttelt. Das fällt weg. Trotzdem will ich das Publikum erreichen."

Prägende Erfahrungen in Indien und Südafrika

Schon früh keimte in der gebürtigen Braunschweigerin der Wunsch, als Pastorin mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Nach dem Abitur ging sie für ein Jahr nach Südindien. Dort verfolgte sie auch die Arbeit der Kirche intensiv. "Es gibt dort Gemeinden, in denen das Kastensystem aufgehoben ist. Gemeinsam mit Kastenlosen Gottesdienste zu feiern, war eine Revolution."

Steen sah Wellblechhütten, die Fußballstadien weichen mussten und Menschen, die mit Füßen getreten wurden, weil sie keine Lobby hatten. Und trotzdem meisterten die Ärmsten der Armen ihr Leben mit Würde. "Ich war voller Tatendrang. Doch was letztendlich am meisten geholfen hat, war in die Slums zu gehen und mit den Menschen Tee zu trinken, um ihnen zu zeigen: Ihr werdet wahrgenommen", erzählt sie. "Die Erfahrungen dort relativieren noch heute eigene Probleme."

Während des Studiums sammelte sie weitere internationale Erfahrungen in Südafrika und auf Kuba. Ein Jahr in Genf am ökumenischen Institut Bossey hat sie geprägt, erzählt Steen. Christen aus aller Welt kommen dort zusammen. Nicht in allen Lehrfragen seien sie einer Meinung gewesen. "Aber in 30 Sprachen gemeinsam das Vater Unser sprechen – das ist eine Erfahrung, die ich jedem wünsche."

Steen will auf Menschen zu gehen - auch im Internet

Steens Begeisterung wird spürbar und ansteckend, als sie sich an ihren ersten Gottesdienst erinnert, in Berlin mit Geistlichen verschiedener Konfessionen in unterschiedlichen Gewändern, oder an einen Friedensmarsch zum Brandenburger Tor. "Zusammen können wir so viel Licht in die Welt bringen", sagt sie.

Als Pastorin der offenen Kirche St. Jakobi in Hildesheim sucht sie dazu neue Modelle. "Im Alltag erlebe ich Menschen, die mit der jetzigen Form von Kirche nichts anfangen können. Die leben ihren Glauben lieber zu Hause aus." Durch neue Gottesdienstformen, mal schrill für junge Menschen, mal in einfachen Worten etwa für geistig Behinderte, und vielfältige Kooperationen aus Stadt und Kultur möchte Steen in Kontakt mit den Menschen kommen.

Auch neue Medien wie Facebook will die junge Pastorin nutzen. Vier Minuten hat sie am Samstag mit dem "Wort zum Sonntag" Zeit, um Menschen anzusprechen. "Um welches Thema es geht, entscheidet sich im Lauf der Woche", sagt die 34-Jährige. Trotz der Einschaltquote von fast zwei Millionen, sieht sie den individuellen Zuschauer vor sich. "Einige von ihnen sind ganz alleine. Ich stelle mir dann einfach vor, dass ich zu jedem Einzelnen ins Wohnzimmer spreche."

epd