Die FDP stellt nach dem Debakel bei den Landtagswahlen ihren politischen Kurs und auch das Personal auf den Prüfstand. Die Parteispitze beriet am Montag in Berlin unter Führung des Vorsitzenden Guido Westerwelle über die Folgen der verlorenen Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Dabei äußerten mehrere Teilnehmer den Wunsch nach einem neuen Führungsteam. Westerwelle hatte zuvor schon deutlich gemacht, dass er Parteichef und Außenminister bleiben will.
Teilnehmer der Präsidiumssitzung berichteten, es habe keine Forderungen nach raschen personellen Konsequenzen gegeben. "Es wird Konsequenzen geben, aber nicht überstürzt", hieß es. In der Kritik stehen vor allem Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und die Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger. Die beiden stehen als Vorsitzende der Landesverbände Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg besonders in der Verantwortung. Brüderle wird zudem angelastet, durch einschränkende Äußerungen zur Atomwende der schwarz-gelben Bundesregierung Wähler verprellt zu haben.
"Nicht zur politischen Routine übergehen"
Erwartet wird, dass die Parteispitze bis zum nächsten Bundesparteitag Mitte Mai neu formiert wird. FDP-Generalsekretär Christian Lindner betonte jedoch mehrfach, dass dies unter Führung Westerwelles geschehen soll. "Wir werden einen offenen Diskussionsprozess darüber einleiten, welche personellen und politischen Konsequenzen zu ziehen sind", sagte Lindner. "Wir können jetzt nicht zur politischen Routine übergehen."
Mit einem Rückzug des Parteivizes Brüderle vom Ministeramt wurde in der FDP-Führung nicht gerechnet. Eine Sprecherin Brüderles sagte: "Mir ist bekannt, dass er das Amt fortführen möchte." In Baden-Württemberg will FDP-Landeschefin Homburger im Amt bleiben. Sie werde auch nicht kampflos ihren Fraktionsvorsitz im Bundestag abgeben, hieß es. Der Kieler FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hatte ihre Ablösung verlangt.
Offene Diskussion verlangt
Der hessische FDP-Landesvorsitzende Jörg-Uwe Hahn verlangte ein neues Team, um die FDP aus dem "Tal der Tränen" wieder herauszuholen. Zu Westerwelles politischer Zukunft wollte er sich im Deutschlandfunk nicht näher äußern. "Ich habe zu keiner Person etwas gesagt und werde das auch nicht zu Guido Westerwelle tun." Hahn gehörte in der Vergangenheit zu den schärfsten Kritikern des FDP-Chefs.
NRW-Landeschef Daniel Bahr sagte: "Es muss eine Mannschaft gefunden werden, die für die FDP Vertrauen zurückgewinnt. Dazu ist ein offener Diskussionsprozess unter Führung von Westerwelle nötig." Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger unterstrich: "Entscheidend für die Partei ist, dass wir Glaubwürdigkeit zurückgewinnen." Der FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer verlangte von Westerwelle eine Trennung von Parteivorsitz und Ministeramt. "Geschlossenheitsappelle reichen nicht mehr", sagte er.
Der ehemalige FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt warnte seine Partei in einem dramatischen Appell vor einer Existenzkrise. "Wir stehen vor existenziellen Fragen über die Zukunft der Partei, des politischen Liberalismus und ein einfaches 'Weiter so' reicht nicht", heißt es in einer am Montag verbreiteten Erklärung. Der Vorsitzende der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung forderte auch personelle Konsequenzen. "Notwendig ist eine gründliche Inventur unseres Angebotes in der Sache und in Personen." Ein solcher Schritt erfordere Mut, daran führe aber kein Weg vorbei.
Gerhardts dramatischer Appell
Geplant ist bislang, dass die FDP bei einem Spitzentreffen am 11. April über die wichtigsten Personalfragen entscheidet. Westerwelle hat sich bislang öffentlich nicht darauf festgelegt, ob er beim Parteitag wieder für das Vorsitzendenamt antreten wird. Der 49-Jährige steht bereits seit fast zehn Jahren an der Spitze der FDP. Seine Stellvertreter sind Brüderle sowie Andreas Pinkwart aus Nordrhein-Westfalen und Cornelia Pieper aus Sachsen-Anhalt. Pinkwart hat seinen Abschied schon verkündet.
In Baden-Württemberg war die bisherige Regierungspartei FDP nur noch mit Mühe wieder in den Landtag gekommen. Sie landete bei 5,3 Prozent und wird nun in der Opposition sitzen. In Rheinland-Pfalz scheiterte die Partei mit nur noch 4,2 Prozent klar an der Fünf-Prozent-Hürde. Damit wurde die FDP innerhalb einer Woche nach Sachsen-Anhalt bereits zum zweiten Mal aus einem Landesparlament gewählt.